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Magdeburger Spuren, Nr. 1576

Dr. Franciscus Kram, kurfürstlich-sächsischer Rat, und Dr. Anton Freudemann, erzbischöflich-magdeburgischer Rat, Abgesandte des Rats der Stadt Magdeburg, erhalten einen Revers für die beim Rat eingezahlten 880 Guldengroschen oder Taler Türkensteuer der Stadt Magdeburg. Unter Vorlage des Reverses soll das hinterlegte Geld wieder herausgeben werden, 14. Juli 1557.

Die Quelle

Der mit Magdeburgische Turckensteur überschriebene Ratsbucheintrag, der in seiner Form wohl lediglich der knappen Dokumentation der städtischen Finanzgeschäfte diente, wird im Bestand Ratsstube unter der Signatur 0008, Nr. 13, Bl. 104r im Stadtarchiv Leipzig verwahrt. Er wurde mit Tinte auf Papier verfasst und weist einige Fehlstellen durch Beschädigungen und Restaurationsspuren auf.

Historischer Kontext

Als das Byzantinische Reich 1453 an die Osmanen fiel, befanden diese sich auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Unter Sultan Süleyman (um 1494–1566) begann eine neue Expansionsphase mit der Eroberung von Belgrad (1521), Rhodos (1522) und dem Sieg der Osmanen gegen die Ungarn in der Schlacht bei Mohács 1526, in der der ungarisch-böhmische König Ludwig II. (reg. 1516–1526) fiel. Damit waren die Osmanen bis Mitteleuropa vorgedrungen und standen 1529 erstmals vor Wien. Drei Jahre später erfolgte ein erneuter Zug in Richtung der Stadt. Auch für 1557, das Jahr des Ratsbucheintrags, wurde ein Vorstoß des Osmanischen Reichs bis nach Wien befürchtet.  

Nach dem Tod des ungarisch-böhmischen Königs hatte Erzherzog Ferdinand von Österreich Erbansprüche auf dessen Gebiete erhoben. In den folgenden Erbstreitigkeiten zwischen dem Habsburger und dem Woiwoden von Siebenbürgen Johann Zápolya (reg. als Kg. von Ungarn 1526–1540) griffen auch die Osmanen ein, sodass es zur Dreiteilung des Alten Ungarn kam. Mit dieser Dreiteilung wurde der Grenzverlauf zwischen Habsburgern und Osmanen zu einem dauerhaften Konfliktherd. Gleichzeitig sorgte die nahe Bedrohung - insbesondere Sachsen und Brandenburg befürchteten einen osmanischen Vorstoß von Mähren und Böhmen aus - für die Zahlungsbereitschaft hinsichtlich der zur Finanzierung des Kampfes gegen die Osmanen erhobenen Türkensteuern.

Nach der Eroberung Konstantinopels 1453 erbaten die römisch-deutschen Kaiser wiederholt Geldmittel für den Kampf gegen das Osmanische Reich. Die Bewilligung dieser sogenannten Reichstürkenhilfen bzw. Kriegssteuern oblag den Reichsständen. Nach der Eroberung des heutigen Belgrads, damals einer Schlüsselfestung des Balkans, im Jahr 1521 erfolgte die Festlegung einer Matrikel auf dem Reichstag zu Worms durch Kaiser Karl V. (reg. als röm.-dt. Kg. 1519–1556), die fortan auch der Berechnung der Türkensteuersätze diente.

Aussage und Bedeutung der Quelle

1557 erlegen der kurfürstlich sächsische Rat Dr. Franziskus Kram und der erzbischöflich-magdeburgische Hofrat Dr. Anton Freudemann die Türkensteuer aus der Altstadt Magdeburg beim Leipziger Rat. Die bedeutende Summe von 880 Talern konnte gegen Vorlage des ausgestellten Revers wieder ausgezahlt werden.

Zu dieser Zeit war Leipzigs zu einer Legstadt ernannt worden, also einem Sammlungs- und Verwahrungsort für Reichssteuern. Die Stadt war durch ihre Messen ohnehin ein bedeutender Finanz- und Handelsplatz. Hinzu kam ihre günstige geographische Lage. Die monetäre Stärke einer Legstadt war von essenzieller Bedeutung, da diese zur Absicherung der Beiträge die geforderten Summen in Kreditform auslegte. Zuständig für die Einnahme der Reichs- und besonders der Türkensteuern waren die Reichspfennigmeister. Das Amt existierte seit 1543 auf Reichsebene. Auf dem Regensburger Reichstag 1557 erfolgte die Trennung in oberdeutsche, von Augsburg aus verwaltete und sächsische, von Leipzig aus verwaltete Reichskreise, für die je ein Reichspfennigmeister verantwortlich war.

Der technisch anmutende Zahlungsvorgang ist als harter Beleg für veränderte politische Verhältnisse von Interesse. Die Altstadt Magdeburg hatte frühere Reichssteuern als Ausdruck ihres städtischen Autonomieanspruchs unter Umgehung der erzbischöflichen Kasse direkt an das Reich abgeführt. Dies führte etwa bei der 1481 ausgeschriebenen Türkensteuer zu Konflikten zwischen der Stadt und ihrem erzbischöflichen Stadtherrn Ernst von Sachsen (1476–1513). Nach der Belagerung Magdeburgs durch Kurfürst Moritz von Sachsen in Vollstreckung der von Kaiser Karl V. 1547 über Magdeburg verhängten Reichsacht, unterzeichneten die Parteien 1551/52 Vertragstexte, die Magdeburgs Anerkennung einer dreigeteilten Stadtherrschaft (Tripartit) des Erzbischofs sowie der sächsischen und brandenburgischen Kurfürsten einforderten. Wenngleich Magdeburg an andere Stelle an seinen Autonomieansprüchen festhielt, ist auffällig, dass im Leipziger Ratsbucheintrag tatsächlich ein kursächsischer und ein erzbischöflich-magdeburgischer Amtsträger als Überbringer der Türkensteuer auftreten.

Weiterführende Literatur

Schattkowsky, Martina, Reichspfennigmeister im Ober- und Niedersächsischen Reichskreis. Zur Kommunikation zwischen Kaiser und Reichsständen um 1600, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 137 (2001), S. 17-38.

Schulze, Winfried, Reich und Türkengefahr im späten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußeren Bedrohung, München 1978.

Steglich, Wolfgang, Die Reichstürkenhilfe in der Zeit Karls V., in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 11 (1972), H. 1, S. 7-55.

Steinführer, Henning, Zwischen Reich und Fürstenherrschaft - Die Städte Braunschweig und Magdeburg im Ringen um ihre Selbstständigkeit zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert, in: Kälble, Mathias/Wittmann, Helge (Hg.), Reichsstadt als Argument (Studien zur Reichsstadtgeschichte 6), Petersberg 2019, S. 151-176.

Transkription

Magdeburgische Turckensteur

Doctor Franciscus Kram churfurstlicher sechsischer und doctor Anthoni Freideman ertzbischoflicher magdeburgischer räth haben beim rath acht hundert und achtzig gulden gröschen oder taler hinderlegt, welche eins erbarn rhats der alten stadt Magdeburg abgesandte, an der bewilligten turckensteuer ihnen erlegt und ge[na]nte chur und furstliche reths bey sich zu haben aus bewegenden ursachen <beschwerden>[1] gehabt. Dagegen ist ihnen ein reverß <zugestellet>[2] und wer denselben reverß einem erbarn rath wid[er] uberantworten wirt, dem sol das gelt uberantwortet werden. Act[um] den 14 t[en] Julij. Anno [etc.] [15]57.



[1] Die Lesung im Bereich der Beschädigung ist nicht eindeutig.

[2] Die Lesung im Bereich der Beschädigung ist nicht eindeutig.

Zitiervorschlag

Luisa Rühlmann, Was Zahlungswege offenlegen. Die Altstadt Magdeburg entrichtet die Türkensteuer (1557), https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=1576 (13.10.2025)

Erschließungsinformationen

Signatur
1576
Datierung
14.07.1557
Systematik 1
02.01.05.03 Leipzig
Systematik 2
Diplomatie
Fundort
Stadtarchiv Leipzig
Signatur Fundort
Stadtarchiv Leipzig, 0008 (Ratsstube), Nr. 13, Bl. 104r.
Umfang
1 Seite
Aktentitel
Ratsbuch Nr. 13
Beschreibung
handgeschrieben, Tinte auf Papier, deutsch, durch Tintenfraß geschädigt
URN
urn:nbn:de:gbv:ma26-2504070646313.964263909666
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