Magdeburger Spuren, Nr. 857
Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg ermutigen Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen, alles zu unternehmen, damit Wittenberg nicht kapituliert. Sie zweifeln nicht, dass Gott seine Kraft und Allmächtigkeit zeigen werde, und bitten ihn, sie über sein Schicksal zu informieren, Magdeburg, 18. Mai 1547.
Die Quelle
Es handelt sich um einen Brief von Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg an die kurfürstlichen Räte Johann Friedrich I. (auch „der Großmütige“ genannt). Er ist auf den 18. Mai 1574 datiert – einen Tag vor der Wittenberger Kapitulation, welche den Schmalkaldischen Krieg beendete. Der Umfang beträgt zwei Seiten Text, sowie die Adresse und das Siegel der Stadt auf der Rückseite. Es wurde mit Tinte auf Papier geschrieben. Das Original befindet sich als Teil einer Akte im Landesarchiv Thüringen – Staatsarchiv Weimar.
Hauptaussagen:
Die Stadt Magdeburg fordert Johann Friedrich I. dazu auf die Stadt Wittenberg auf keinen Fall aufzugeben. Man ist sich sicher, dass sich Wege finden, das an die Wittenberger weiterzuleiten. Grund dafür sei, dass man die Nachricht erhalten habe, mit dem Kurfürst würde über eine Kapitulation verhandelt. Rat und Innungsmeister verweisen diesbezüglich auch auf die Aufforderung des Kurfürsten an Magdeburg weiter standhaft zu bleiben. Jetzt solle er es ihnen gleichtun. Außerdem habe man zu hören gekommen, dass die kaiserlichen Truppen gedenken Richtung Magdeburg zu ziehen und bereits heute ins Kohrensche Land[1] eingefallen seien und man hätte Nachricht, dass aus Wittenberg geschossen wurde und eine Belagerung bisher verhindert wurde. Der Kurfürst wird gebeten, zu bedenken, dass in Magdeburg, im Harz und im Fürstentum Braunschweig, vor allem aber in den Städten noch viele Menschen zu ihm halten würden. Es wird weiterhin betont, dass es in dieser Sache um Gottes Ehre und der Seligkeit aller gehe. Es werde versucht alle von der göttlichen Wahrheit zur päpstlichen Abgötterei und Gotteslästerung zu drängen. Daraufhin beten sie auch Gott um beistand und dass er die Pläne und Taten der Feinde zunichte mache. Sie zweifeln nicht daran, dass er seine Kraft und Allmächtigkeit zeigen werde. Die Magdeburger versprechen, den Kurfürst über alle Geschehnisse in der Stadt auf dem Laufenden zu halten und erwarten das gleiche auch von ihm. Am Ende steht ausdrücklich geschrieben, dass Magdeburg weiterhin bereit ist seinem Kurfürsten zu dienen.
[1] Gemeint ist das Gebiet um die heutige Gemeinde Kohren-Salis im Süden Leipzigs. Der Ort wird 974 erstmals urkundlich erwähnt. Kaiser Karl V. hielt sich vor der Schlacht bei Mühlberg für kurze Zeit auf der Burg Gnandstein unweit des Ortes Kohren-Salis auf. ( Schreiber, Gert: Aus der Geschichte von Kohren-Salis. 550 Jahre Stadtrecht Kohren-Salis. Borna, 2003. S. 12-17)
Der Hintergrund
Die Stadt Magdeburg war 1531 eines der Gründungsmitglieder des Schmalkaldischen Bunds, einem Bündnis protestantischer Fürsten und Reichsstädte gegen die Unterdrückung durch den katholischen Kaiser. Im Jahr darauf übernahm Johann Friedrich I. die sächsische Kurwürde nach dem Tod seines Vaters. Er war schon seit den 1520er Jahren begeisterter Anhänger und Unterstützer Luthers[1] und hatte im Schmalkaldischen Bund zusammen mit Landgraf Philipp von Hessen eine Führungsrolle inne. In den nächsten zehn Jahren konnte man das Landes- und Stadtkirchentum stabilisieren und den protestantischen Glauben weiterverbreiten.[2] Mitte der 1540er Jahre sah sich Kaiser Karl V. dann gezwungen, den Religionskonflikt im Reich mit Gewalt zu lösen und bereitete sich schon einige Jahre im Voraus auf eine militärische Auseinandersetzung vor.[3] Zum ersten Schlagabtausch im Schmalkaldischen Krieg kam es im Herbst 1546 bei Ingolstadt. Als dem Kurfürsten klar wurde, dass er den kaiserlichen unterlegen war und sich nach Mitteldeutschland zurückzog, musste er feststellen, dass auch sein Vetter, Herzog Moritz von Sachsen in den Krieg eingriff und weite Teile der kurfürstlichen Lande besetzte. Das dürfte Johann Friedrich I. wohl überrascht haben, denn auch, wenn Moritz eine Mitgliedschaft im Schmalkaldischen Bund schon immer ausschloss, hatte er doch mehrmals dem protestantischen Bündnis seine Unterstützung zugesichert.[4] Wovon Johann Friedrich I. jedoch nichts wusste, war die geheime Abmachung Moritzens mit Karl V., im Falle der erfolgreichen Unterstützung des Kaisers die Kurwürde übertragen zu bekommen.[5]
Nachdem die von Moritz besetzten Gebiete zurückerobert wurden, kam es am 24. April 1547 zur entscheidenden Schlacht bei Mühlberg an der Elbe. Die Bundesgenossen waren an diesem Tag nicht auf Kampfhandlungen vorbereitet und auch zahlenmäßig völlig unterlegen. Die Schlacht bei Mühlberg kann daher eher als ein Gemetzel der kaiserlichen Truppen als als eine ausgeglichene Schlacht bezeichnet werden.[6] Das Resultat ist die Gefangennahme Johann Friedrichs I., der am 10. Mai 1547 vom Kaiser zum Tode verurteilt wird. Damit wollte er ihn zur Kapitulation und zur Aufgabe der wichtigsten Stadt der Protestanten – Wittenberg – zwingen.[7]
Am 19. Mai 1547 (einen Tag nach dem Schreiben des Magdeburger Rats) unterschrieb Johann Friedrich die Wittenberger Kapitulation, um die Zerstörung Wittenbergs zu verhindern. Daraufhin wurde seine Todesstrafe in eine lebenslange Gefängnisstrafe umgewandelt. [8] Herzog Moritz von Sachsen erhielt – wie versprochen – den Titel des sächsischen Kurfürsten, womit die Herrschaft der Ernestiner beendet und das albertinische Kurfürstentum, welches noch bis 1918 (seit 1806 als Königreich) bestand, begründet wurde. Magdeburg hingegen leistete auch nach der Wittenberger Kapitulation noch weiter Widerstand und wird in den darauffolgenden Jahren zum Zentrum des geistigen Widerstands.[9]
[1] Klein, Thomas: Johann Friedrich. [Online-Ausgabe]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712373.html#ndbcontent.
[2] Wartenberg, Günther: Die Schlacht bei Mühlberg in der Reichsgeschichte.S. 169.
[3] Siehe dazu ebd. S. 170.
[4] Held, Wieland: 1547. Die Schlacht bei Mühlberg/Elbe. S. 41.
[5] Ebd. S. 47.
[6] Vgl. Schirmer, Uwe: Die ernestinischen Kurfürsten. S. 75.
[7] Held, Wieland: 1547. Die Schlacht bei Mühlberg/Elbe. S. 104.
[8] Vgl. Ebd. S. 108.
[9] Joachimsen, Paul: Die Reformation: Als Epoche der Deutschen Geschichte. S.261.
Bedeutung der Quelle
Die Schlacht bei Mühlberg beziehungsweise die Wittenberger Kapitulation stellt einen bedeutenden Einschnitt in der Geschichte Sachsens dar. Der Übergang der Herrschaft von der ernestinischen zur albertinischen Linie bedeutete zwar, dass die sächsischen Kurlande weiterhin in Besitz der Wettiner blieben, der Großteil der Bevölkerung war damit jedoch nicht zufrieden. Die Menschen bedauerten das Schicksal Johann Friedrich I. und beklagten sich über die Machtübernahme Moritzens.[1] Diese Stimmung spiegelt auch der Brief aus Magdeburg wider. Denn eigentlich war die Hoffnung auf eine Wendung im Schmalkaldischen Krieg Anfang Mai 1547 ziemlich aussichtslos. Trotzdem wollte man um jeden Preis an Kurfürst Johann Friedrich I. festhalten, der, bereits in Gefangenschaft, kaum noch Handelsspielraum hatte. Vielleicht lag das an der Beliebtheit des Kurfürsten, der für seine „[…] Bekenntnistreue, Gewissenhaftigkeit und seinen Gleichmut in schwersten Lagen […]“[2] bekannt war und den Protestantismus bedeutend förderte. Vielleicht lag es auch an der Unbeliebtheit des Herzog Moritz von Sachsen, der sich mit seiner Bekennung zum Kaiser und dem hinterhältigen Eingreifen in den Krieg bei der mehrheitlich protestantischen Bevölkerung zum Feindbild gemacht haben dürfte.
Welche Bedeutung das Schreiben der Magdeburger im Entscheidungsprozess des Kurfürsten bezüglich der Kapitulation ist nicht eindeutig zu sagen. Fest steht allerdings, dass er sich in einer Aussichtslosen Situation befand und das einzig mögliche tat, um die Zerstörung der Stadt Wittenberg zu verhindern, in deren Schlosskirche sich nun seit ungefähr einem Jahr das Grab des Reformators Martin Luther befand.
Weiterführende Literatur
- Held, Wieland: 1547. Die Schlacht bei Mühlberg/Elbe: Entscheidung auf dem Wege zum albertinischen Kurfürstentum Sachsen. Beucha 1997.
- Joachimsen, Paul; Schottenloher, Otto (Hrsg.): Die Reformation: Als Epoche der Deutschen Geschichte. Berlin, Boston 2019 (Neudruck von 1951). S.251 [Online-Ausgabe]; URL: https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783486779486/html.
- Klein, Thomas: Johann Friedrich. In: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 524-525 [Online-Ausgabe]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118712373.html#ndbconten.
- Schirmer, Uwe: Die ernestinischen Kurfürsten bis zum Verlust der Kurwürde.1485-1547. In: Kroll, Frank-Lothar (Hrsg.): Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige. 1089-1918. München 2007.
- Schreiber, Gert: Aus der Geschichte von Kohren-Salis. 550 Jahre Stadtrecht Kohren-Salis. Borna, 2003.
- Wartenberg, Günther: Die Schlacht bei Mühlberg in der Reichsgeschichte als Auseinandersetzung zwischen protestantischen Fürsten und Kaiser Karl V. In: Archiv für Reformationsgeschichte. Bd. 89 (jg). Gütersloh 1998. S. 167-177.
Transkription
[fol. 104r] Unser freunthwillige dienste zuvor.
Gestrengen, erbarnn und vehsten gunstigenn guthenn freunde, wyr habenn am iungsten euch allerley angezeigt, unnd sonderlichen das es guth unnd noch wehre das an hauptleut, rethe, reuther, burger unnd knechte zu Wittenberch geschriebenn vormant und angehalten wurdenn, vheste zuhaltenn, und die stadt Wittenberch keynes weges uffzugebenn und czweyveln nicht, ihr werdet uff wege gedengkenn, das solche schrieffte in Wittenberch kommen muge, damith auch mith nichte will geseumeth seinn. Dan es gelangt hieher an uns, das mith dem loblichenn churfurstenn unserm gnedigstenn herrn, daruff hart gehandeltt unnd practicirt werde, Wittenberch uffzufordernn und uffzugebenn. Wiewoll wyr uns vorsehen wollenn, das reuther unnd knechte doselbst ihre ehre unnd gelubde woll bedengken werdenn. Es soll auch im lager ein sehr groser droß seinn. Und dieweihle dann unser gnediger iunger herr und auch ihr uns hoch vermahnet und angehaltenn uns standthafftigk zuhaltenn, szo machen wir uns auch keynen zweyfel, hochgedachter unser gnediger herr unnd auch ihr werdenn in gleichnus auch vehste haltenn. Szo kumpt auch die zeytung hieher aus dem lager vor Wittenberch, das man uffbrechenn und sich hieher an uns machen muchte. Und die streuffenden rotten seindt starck ins Korensche landt gestern und heut gefallenn. Es lauten auch unser kunthschafftenn, das man gestern unnd vorgestern hart aus Wittenberch geschossen und das schantzen noch bisher gehinderth wordenn. [fol. 104v] Ihr werdet uff uns achtung habenn und mith vleis bedengkenn, das noch in diesenn beiden stifften, auch am Hartz unnd im furstenthumb zu Braunschwigk unnd zuforderst in stedtenn und auch die lantleute, hochgedachtem unserm gnedigstenn herrn dem churfursten woll zugethann und geneigt sein, und wen sie nur fuhrer hettenn theten sie woll was sie thun sollten. Szo belangt auch diese sache Gottes ehre und unser aller seligheit unnd wirth im grunde und gewißlich domith umbgangenn, uns alle vonn der gottlichenn warheitt uff die pebstliche abgotterei unnd Gottes lesterunge zudrengenn. Und willen unsern liebenn Gott in diesser furstehenden noch anruffenn und bitten uns bey seynem gottlichen wort genediglichen zuerhalten und seynen und unsern feynden ihre listige anschlege unnd practiken zu nichte zumachenn. Unnd zweyveln nicht, wen wir im vertrawenn, er werde sein krafft unnd almechtigkeitt erscheinen lassenn. Was sich nuhn hier, dieß orths zutragenn werth soll euch unvorhalten pleybenn, mit freunthlicher bitt, uns euern zustandt und was bey euch furleufft auch wissenn zulassenn, und seindt euch mith allem vleis zudienen gantzwilligk.
Datum unter unser stadt secreth Mitwochens nach Vocem Jocundidatis Anno etc. [15]47. radtman und Innungssmeister der Altenstadt Magdeburgk
[fol. 105r] Denn gestrengenn erbarn und vehstenn unsers gnedigstenn herrn, des churfursten zu Sachssen etc. vorordenten obersten und rethenn, unsern gunstigen guthen freunden.