Magdeburger Spuren, Nr. 55
Der Rat der Stadt Magdeburg und der Rat der Stadt Braunschweig schreiben an Riga wegen dessen Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund mit Bezugnahme auf die Unterredung seiner Gesandten mit denen Magdeburgs und Braunschweigs auf dem Lübecker Hansetag, Magdeburg, 5. Mai 1536.
Die Quelle
Der Brief liegt im Stadtarchiv zu Braunschweig und ist Teil einer größeren Aktenserie mit dem Titel „Correspondens mit Riga, Magdeburg auch dem Churfürsten von Brandenburg“. Er ist datiert auf den 5. Mai 1536. Die Akte und der darin befindliche Brief tragen die Signatur B III 4: 36, fol. 1r-2v.
Es handelt sich um eine Abschrift auf Papier im Folioformat das mit ursprünglich schwarzer, jetzt leicht bräunlicher Tinte beschrieben wurde. Der Bogen weist kein Wasserzeichen auf. Der Text ist linksbündig geschrieben und weist eine klare Struktur auf. Abkürzungen sind durch eine Schleife über dem Wort, Trennungen bei Zeilenumbrüchen durch zwei parallele, von links unten nach rechts oben gezogene Striche gekennzeichnet. Die Grußformel und der restliche Text sind ohne Absätze geschrieben worden, lediglich die Unterschriftsformel der Ratsherren von Magdeburg und Braunschweig, sowie die direkt darunter befindliche Adressierung an die Räte von Riga sind durch Absätze getrennt. Der Beschreibstoff ist in verhältnismäßig gutem Zustand, ohne Risse, Tierfraß oder Schimmelbefall und lediglich mit wenigen Flecken entlang des linken Rands der Briefseite. Zudem sind die Ecken des Dokuments, dem Alter entsprechend, etwas abgestoßen.
Die Sprache des Briefs ist Mittelniederdeutsch. Bei der Schrift handelt es sich um eine gotische Kurrente des 16. Jahrhunderts, in der für zeitgenössische offizielle Schreiben typischen Ausführung.
Der Hintergrund
Trotz ihrer Lage an der Peripherie des Reiches öffnete sich die Stadt Riga bereits recht früh den Ideen Martin Luthers. Durch Ausnutzung der Rivalitäten zwischen den beiden Stadtherren, dem Landmeister des livonischen Schwertbrüderordens und dem Erzbischof von Riga, bemühte man sich, die religiösen Neuerungen gegen ihre Feinde zu verteidigen. Die Sicherung der kirchlichen Neuordnung und der Erhalt der städtischen Freiheiten waren für die protestantisch gewordenen Städte wesentliche Gründe, sich dem Schmalkaldischen Bund anzuschließen. Dies dürfte auch für Riga der Antrieb gewesen sein.
Die auf Wiederherstellung der Stadtherrschaft abzielende und ohne Zweifel altgläubige Politik der Erzbischöfe von Riga, führte zu zwei parallelen außenpolitischen Entwicklungen: Erstens schlossen Bürgerschaft und Rat der Stadt Riga regionale Bündnisse mit dem livonischen Landmeister und der Öselschen Stiftsritterschaft, ergänzt um die Städte Reval und Dorpat. Zweitens suchte die Stadt Anschluss an den Schmalkaldischen Bund. Die bestehenden Verbindungen im Städtebund der Hanse wurden als Plattform genutzt, um mit diesen in Kontakt zu treten.
Regionale und überregionale Bündnisbestrebungen tangierten sich dabei kaum. Vielmehr verfolgte der Rigaer Rat in wechselnden Zusammenhängen das Ziel der städtischen Autonomie und der Verteidigung des neuen Bekenntnisses und wandte sich dazu auch an seine Partner in Magdeburg und Braunschweig.
Vermutlich auf dem Lübecker Hansetag von 1535 nahmen die Rigaer Ratssendboten Bartoldt Friedrichs und Heinrich Ulenbrock mit den Braunschweigern Hans Simon und Franz Kale und dem Magdeburger Syndikus Dr. Levin von Emden Kontakt auf, die als Teilnehmer nachgewiesen sind.
Bei den beiden im Text vorkommenden Ratssendboten Bartoldt Friedrichs und Hinerk/Heinrich Ulenbrock, handelte es sich um zwei Führungsfiguren der Stadt Riga. Beide waren Kaufleute und in hohen politischen Funktionen tätig. Beide hatten einmal das Amt des Bürgermeisters innegehabt, Ulenbrock zum Zeitpunkt der Beitrittsgespräche mit den „Schmalkaldenern“, dass er bis zu seinem Tod am 9. Januar 1541 ausüben sollte. Er galt als einer der entschiedenen Unterstützer der Reformation in Riga.
Das Schreiben Magdeburgs
Im vorliegenden Schriftstück vom 5. Mai 1536 schreiben Bürgermeister und Rat der Städte Magdeburg und Braunschweig an ihre Amtskollegen in Riga. Zuerst wird kurz an die Vorgeschichte erinnert: Am Rande des Hansetags zu Lübeck, es wird wohl der vom Juli 1535 gemeint sein, habe es eine Unterredung zwischen den beiden Rigaer Ratssendboten Bartoldt Friedrichs und Heinrich Ulenbrock und den Ratssendboten Magdeburgs und Braunschweigs gegeben. Dort sollen die Rigaer ihr Interesse geäußert haben, dem erst kürzlich gegründeten Schmalkaldischen Bund beizutreten. Das Schreiben hebt das gemeinsame lutherische Bekenntnis hervor, mit dem man sich in einer „Wertegemeinschaft“ befindet. Auf besagtem Hansetag zu Lübeck hätten die Magdeburger Gesandten zugesichert, sich auf dem nächsten Bundestreffen für Riga zu verwenden.
Danach folgt der eigentliche Inhalt des Briefs: Magdeburg und Braunschweig teilen mit, dass bereits auf dem letzten Bundestreffen in Schmalkalden über eine Aufnahme Rigas beraten worden sei. Darüber hinaus wollen sie die Angelegenheit auf dem kommenden Bundestreffen wiederum zur Sprache bringen. Die Magdeburger schätzen die Chancen einer Aufnahme Rigas jedoch hoch ein, da Riga der „evangelischen Sache“ stark verbunden sei. Nach Dafürhalten der Magdeburger werden die anderen Bundesmitglieder dies zu würdigen wissen. Daher seien sie sicher, den Rigaern bald positive Antwort geben zu können. Sollte es von Seiten Rigas noch irgendwelche Anregungen. geben, so mögen sie diese der magdeburgischen Seite mitteilen. Man werde dies wohlwollend zur Kenntnis nehmen und sein Möglichstes tun, um diesen Wünschen zu entsprechen. Der Brief schließt im Namen der Bürgermeister von Magdeburg und Braunschweig sowie im Namen aller Ratsherren und mit einer Adresse an die „besonders engen Freunde“ in Riga.
Bedeutung der Quelle
Die vorliegende Quelle belegt die aktive Rolle, die Magdeburg als Gründungsmitglied im Schmalkaldischen Bund spielte. Schon in dessen Vorgänger, dem Torgauer Bund, war Magdeburg als einzige Stadt überhaupt vertreten gewesen. Im Schmalkaldischen Bund wiederum benötigten Beitrittskandidaten für ihre Aufnahme Fürsprecher unter den Mitgliedern, die für sie bürgten. Magdeburg nutzte seine Verbindungen in die Hanse aus, um die „evangelische Sache“ zu stärken und betrieb dafür Bündnispolitik bis ins Baltikum.
Das Schreiben ist Teil eines regen Schriftverkehrs zwischen den Städten Magdeburg, Braunschweig und Riga (siehe Magdeburger Spuren Nr. 57–60), der im Übrigen nicht mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen Rigas zum Schmalkaldischen Bund (Eisenach 1538) abreißt, sondern noch bis 1542 fortdauerte, was auf ein enges Verhältnis der Kommunen schließen lässt.
Weiterführende Literatur:
- Hanserecesse, Bd. 4,2, bearb. von Klaus Friedland/Gottfried Wentz, Köln 1970.
- Hanserecesse, Bd. 4,1, bearb. von Gottfried Wentz, Weimar 1941.
- Die Erbebücher der Stadt Riga 1384-1579, bearb. von J.G.L. Napiersky, Riga 1888.
- H.J. Böthführ, Die Rigische Rathslinie von 1226 bis 1876, Riga 1877.
- Die Libri Redituum der Stadt Riga, hg. von J.G.L. Napiersky, Leipzig 1881.
- Gabriele Haug-Moritz, Der Schmalkaldische Bund 1530–1541/42. Eine Studie zu den genossenschaftlichen Strukturelementen der politischen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 44), Leinfelden-Echterdingen 2002.
Transkription
[fol. 1r]
Unse frunthlik dinste stedes thovorenn. Erbarn ersamen wolwysenn hernn und bßundernn gunstigen guden frunde.
Edt hebben i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] geschickeden radessendebodenn, de ersamenn und wolwysenn her Hinrick Ulenbrock und her Bartoldt Friederichs up dem jungst geholden dage tho Lubeck, dar der erbaren hansestede bodtshop penn byeinander gewesenn, unser beyder stede geschicktenn frunthliken angelanget und gebedenn, i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] gegen de durchluchtigsten, durchluchtigen hochgebornen chur- und fursten, auch grafenn und erbarenn stede, unsen gnedigsten und gnedigen herenn und frundenn, ßo allinthalvenn in der cristliken religion ßakenn und der upgerichtenn cristlikenn vorstenthnusse thogedahn unnd vorwandt synn, tho der nehsten thoßamenkunfft dersulven eynu[n]gs vorewandtenn, anthogevenn und tho themelikenn wegenn tho dersulvenn cristlikenn vorstenthnisse inthonehmenn thovorbiddenn und thobeforderenn.
Demsulven na hebben unse geschickten am jungsten tho Schmalkalde, dar die chur- und fursten ock grafenn und der stede gesandtenn byeinander [g]ewesenn,[1] der vorberurden geschenen bitlikenn anre[g]unge1 gedacht. Und is uns bevohlenn und [up]gelecht,[2] derhalven an i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] thoschryvenn wu i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] entlike meynunge were, als men nicht twyfeltt by der ewigenn warheytt des godtliken wordes
[fol. 1v]
thoblivenn und umb inemunge in de evangelische vorstenthnisse thohandelnn. Szo hebbe wy bevehll mytt i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] geschickeden und bevelhebbernn na bericht i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] gelegenheytt up guden gelovenn darvon thoredenn und thohandelnn, up wath wege unnd mathe datt gescheenn konde dath i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] thor gebohr ingenomen muchten werden. Und dath jenne datt ßo beredt wurde tho wyder thoßamenkunft den eynu[n]gs voreywandtenn wyder anthotzeigenn und thoberichtenn. Wy maken uns ock keynen twyvell i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen]werdenn temelike und wolgeneigte anthworde erlangenn.
Watt nu i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] hirup thodonde sin will, dath werde gy uns woll wetenn latenn, duth hebbe wy i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] im bestenn und up der iwen flitigh und fruntlick anregen nicht willen vorholdenn. Und syndt i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] als unsen frundenn thodienen geneigt und gantzwillich.
Datum under unser beide stede secreten frydages nach Misercordias Domini anno 1536
De rede der stede Magdeborch unnd Brunschweygk
Den erbarn ersamen wolwysen hernn burgermeystern und rathmannen der stadt Rige unsern bßundernn gunstigen gudenn frunden.