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Magdeburger Spuren, Nr. 1000

Christoph und Burchardt Rode belehnen Heinrich Müller aus Diesdorf mit einer halben Hufe in Niederndodeleben gegen einen jährlichen Zins von 12 Bauerngroschen, Magdeburg, 1. Mai 1609.

Die Quelle

Der Lehnbrief wird im Österreichischen Staatsarchiv unter der Signatur „OeStA/FHKA SUS RA 74.13.4“ aufbewahrt. Die Abkürzung FHKA verweist auf das Finanz- und Hofkammerarchiv und die Abkürzung SUS auf den Bestand Sammlungen und Selekte. Der Bestand wurde am kaiserlichen Hof angelegt. Wie diese Magdeburger Lehnsurkunde nach Wien geraten ist, wo man sie nicht erwarten würde, bleibt unklar. 1610 verkauften Christoph Rode und seine Mitbelehnten, die auch diesen Lehnsbrief ausstellten, den in der Urkunde genannten Zins an die Baumeisterei des Magdeburger Doms (vgl. Magdeburger Spuren Nr. 1001). Über das Magdeburger Domkapitel muss der Vorgang nach Wien geraten sein.

Der Text ist in Kurrentschrift auf einem Pergamentbogen notiert. Der untere Teil ist umgeschlagen, so dass sich eine Plica bildet, die die letzte Zeile des Urkundentexts überdeckt. An einem Pergamentstreifen ist ein Siegel aus rotem Wachs befestigt. Es befindet sich in einer Wachsschale, deren unterer Rand ausgebrochen ist. Zur weiteren Beglaubigung hat Christoph Rode auf der Plica eine eigenhändige Unterschrift hinterlassen.

Die Signatur RA Kt. 74.13.4 wurde nachträglich mit Bleistift auf die Plica geschrieben. Sie bezieht sich auf den Karton des Bestand Sammlungen und Selekte, in dem die Urkunde aufbewahrt wird.

Der Hintergrund

Mit der Urkunde belehnen die Brüder Christoph und Burchard Rode, die Söhne des verstorbenen Jacob Christoph Rode, einen Bauern aus Diesdorf bei Magdeburg mit Namen Heinrich Müller mit einer halben Hufe in Niederndodeleben. Heinrich Müller muss jährlich einen Grundzins von zwölf Bauerngroschen zahlen. Bauerngroschen wurden in der Reichsstadt Goslar geprägt. Die Silbermünze zeigt auf der Vorderseite einen Wappenschild mit dem Reichsadler und auf der Rückseite die Heiligen Simon und Judas. Die beiden Apostel wurden als Bauern gedeutet, weshalb es zum Münznamen „Bauerngroschen“ kam. Zwei Bauerngroschen entsprachen einem Gulden.

Die Gebrüder Christoph und Burchard Rode waren Angehörige eines der führenden Geschlechter Magdeburgs. Ihre Vorfahren hatten in den letzten 100 Jahren reichen Güterbesitz angehäuft, den sie an Bauern als Lehen ausgaben.

Der Lehnsbrief als ein wichtiges Rechtsdokument wurde von Christoph Rode gesiegelt. Siegel gehörten zu den stärksten Beweiszeichen. Allein der Besitz eines Siegels bzw. eines Wappens ist zunächst noch kein zwingender Hinweis auf eine Zugehörigkeit zum Adel, sondern vor allem das Ergebnis von Rechtsgeschäften, an dessen Vertragsunterzeichnung zur Bekräftigung das Siegel angebracht wurde. Folgerichtig führten nahezu alle Ratsgeschlechter in den großen Handelsstädten des Spätmittelalters ein Siegel bzw. Wappen.

Das älteste bekannte Siegel der Rodes datiert in das Jahr 1422, als den Brüder Jacob, Thomas und Hans Rode Pfandeinkünfte aus der Stadt Aken bestätigt wurden. 1447 siegelte Thomas Rode mit dem bekannten Wappenbild. Auf dem Wachssiegel, das der Urkunde anhängt, ist ebenfalls das Wappen der Familie Rode zu sehen. Es zeigt einen schrägrechten Balken auf einem mit Kugeln belegten Schild. Dem Balken sind drei Eberköpfe aufgelegt, was man aber nur schwer erkennen kann. Das Siegel besitzt eine Umschrift in Majuskeln. Lesbar sind links CHRIS und rechts TOF RODE. Damit wird erkennbar, dass es sich um das Siegel des Christoph Rode handelt. Burchard Rode, der nicht mit siegelte und unterschrieb, war offenbar nur Mitbelehnter des Grundbesitzes.

Bedeutung der Quelle

In den großen wirtschaftlichen Zentren des Reiches, insbesondere in den Reichsstädten und den Autonomiestädten wie Magdeburg, bildete sich im Spätmittelalter, begünstigt durch die wirtschaftliche Potenz und abgesichert durch die städtischen Verfassungen, eine städtische Oberschicht heraus. Meist handelte es sich um Kaufleute. Die Gewinne reinvestierten sie nicht allein ins Geschäft, sondern erwarben umliegende Landgüter, gerierten sich als Lehnsherren und imitierten ein adelsgleiches Leben. Was fehlte, war der begehrte Adelstitel, um die Kluft zum ersten Stand – zum Adel – zu überwinden. Standeserhebungen des städtischen Patriziats sind eine reichsweite Erscheinung und blieben auch im wirtschaftlich potenten Magdeburg nicht aus. Allerdings gelang mit den Alemann und mit den Nachfahren Otto von Guerickes nur zwei Patrizierfamilien aus Magdeburg die förmliche Erhebung in den Adelsstand. Das sind vergleichsweise wenige Nobilitierungen, während es bspw. in Breslau oder selbst Görlitz zu einem regelrechten Wettlauf um den begehrten Adelstitel gekommen war.

Neben den Alemanns und den Gerickes gehörten auch die Rode, auch Rohde oder Rhode geschrieben, zu den führenden Geschlechtern Magdeburgs. Die Rodes sind bereits seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert in Magdeburg nachweisbar, ohne dass sich aufgrund des häufigen Familiennamens eine gesicherte Stammfolge erstellen lässt. Sie bekleideten seit mindestens 1418 hohe Ämter im städtischen Rat, wie das einflussreiche Amt des Kämmerers, und stellten mehrmals den ersten Bürgermeister.

Die Magdeburger Ratsverfassung bildete sich im Laufe des Hochmittelalters heraus. Anfangs fungierte ein Schöffenkollegium in städtischen Angelegenheiten, bis nach der Ermordung Erzbischof Burchards III. neue Strukturen geschaffen wurde. Fortan wurden die Ratsmitglieder jährlich aus einem Kreis ratsfähiger Geschlechter gewählt, wobei keine engen Verwandten wie Vater und Sohn oder Brüder gleichzeitig im Rat vertreten sein durften. Daneben entsandten die fünf großen Innungen je einen Vertreter und die kleinen Innungen insgesamt fünf Vertreter in den Rat, weshalb Ratsbeschlüsse immer mit der Formel „Rat und Innungsmeister“ schließen. Alternierend bekleideten drei Personen das Amt des ersten und zwei weitere das Amt des zweiten Bürgermeisters, im Folgejahr wurde der abgelöste Rat zum Alten Rat, im Jahr darauf zum Oberalten Rat. Auf diese Weise konnte ein Ratsmitglied alle drei Jahre erster Bürgermeister sein. Diese insgesamt von einer Machtbalance unter den städtischen Eliten getragene Ratsverfassung hielt immerhin 300 Jahre, ehe sie 1630 abermals reformiert wurde, vor allem auf Drängen der in der Zwischenzeit gebildeten Innungen der Brauer, Bäcker und Schmiede. Diese bildeten inzwischen auch personell einen Großteil der städtischen Bevölkerung ab und fühlten sich nicht ausreichend durch das Ratsregiment vertreten. Künftig ernannten die einzelnen Stadtviertel Kürmänner, die den Rat wählten, der nunmehr aus 24 Personen bestand, die auf Lebenszeit gewählt wurden.

Die Familie Rode etablierte ein weitreichendes Netzwerk, verband sich über Eheschließungen mit den anderen bedeutenden Ratsgeschlechtern, erlangte Pfründen in den umliegenden Stiftskapiteln für nachgeborene Söhne. Vor allem aber erwarben sie verschiedenste Einkünfte, Zinseinnahmen in der näheren und weiteren Umgebung von Magdeburg und umfangreichen Grundbesitz, etwa in Hermsdorf, Schnarsleben, Langenweddingen, Groß und Klein Rodensleben, Wartenberg (Wüstung), Sülldorf oder Meitzendorf, meist einzelne Bauerngüter und Hufen, die sie weiterverlehnten, wie sich an der großen Zahl überlieferter Lehnsbriefe ablesen lässt. Erstaunlicherweise befand sich darunter kein Rittergut, sie besaßen lediglich im ostelbischen Dorf Prester einen bis heute erhaltenen Hof mit wehrhaftem Wohnturm. Grundsätzlich blieben die Rodes dem städtischen Milieu verhaftet, bis sie Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr in Magdeburg nachzuweisen sind.

Weiterführende Literatur

Lars-Arne Dannenberg: Stadtadel vs. städtischer Adel. Beobachtungen zu Aufstieg und Aufsteigern in den Oberlausitzer Sechsstädten, in: Lars-Arne Dannenberg/Matthias Donath (Hrsg.): Lebensbilder des sächsischen Adels V, Königsbrück 2021, S. 11-44.

Juliane Paul: Familiennamen des 17. Jahrhunderts in Magdeburg, in: Saskia Luther/Mareen Mosebach/Cornelia Wewetzer (Bearb.): Magdeburger Namenlandschaft. Orts- und Personennamen der und Region Magdeburg, Halle/Saale 2004, S. 243-252.

Eva Labouvie (Hrsg.): Leben in der Stadt. Eine Kultur- und Geschlechtergeschichte Magdeburgs, Köln u. a. 2004.

Transkription

Ich Christoff Rhode, Jacob Christoffs sehligen sohn, itziger zeitt der elteste unnd lehnträger im unserm stam, des männlichen geschlechtts der Rhodes, vor mich undt meinen bruder Burchardt hiermitt bekannt, daß ich geliehen habe, leyhe auch mitt crafft dieses brieffes Heinrich Müllers zue Desdorff eine halbe huffe landeß auff Nieders Dodeleben felde gelegen auff zwolff pauergroschen zinnß wir Christoff Rhodes jehrlichen auff Martinij davon zuegeben, dieselbe hufe landeß gedachtter Heinrich Müller undt seine erben hinforth ruglich genießen undt gebrauchen mugen. Als lehnzinßguth, rechtt undt gewohnheitt ist, doch derngestaldt unndt alß, daß dieselbe in gewehr erhaltten, ohne unsers geschlechtts eltesten wissen unndt willen nicht vorpfendett oder vorkauffett werde, oder sonsten voreußertt unndt der lehn, wan sich fälle nach Gottes willen zutragen, gebuhrliche volge geleistett werde. Auff solchen fall will ich neben meinen obgedachtten bruder hinwiederumb ehr bekenttlicher lehnherr sein, wann unndt wie offt sie deßen benöttigett. Urkundlich hab ich mein lehnsiegell untter auffgetruckett. Geschehen unndt gegeben (aMagdenburg, den ersten May im tausendt sechzehnhundertt undt neunden jahr.a)

 

Auf der Plica:

Christoff Rode mein handtb)

 

Nachträgliche Kanzleivermerke auf der Plica:

RA Kt.74.13.4

304

 

Rückvermerk:

Christoff Rhode lehnherr uber eine halbe hufe landeß zue Niedern Dodeleben.

 

(a-a) durch Plica verdeckt

b) eigenhändige Unterschrift

Zitiervorschlag

Lars-Arne Dannenberg, Stadtadel ohne Adelstitel. Die Patrizierfamilie Rode belehnt einen Diesdorfer Bauern (1609), https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=1000 (27.04.2024)

Erschließungsinformationen

Signatur
1000
Datierung
01.05.1609
Systematik 1
06.09 Familie Rode
Systematik 2
Geldangelegenheiten (privat)
Fundort
Österreichisches Staatsarchiv
Signatur Fundort
Österreichisches Staatsarchiv, AT-OeStA/FHKA SUS RA 74.13.4, fol. 304r-304v
Beschreibung
Urkunde mit Wachssiegel an Pergamentstreifen und eigenhändiger Unterschrift des Ausstellers, dt., Tinte auf Pergament, Rückseite: Inhaltsvermerk
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