Magdeburger Spuren, Nr. 882
Das im Namen Kaiser Karls V. handelnde Reichsregiment zu Esslingen lädt Bürgermeister, Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg vor das Reichskammergericht, vor dem sie sich am 17. Oktober 1524 wegen der Änderung der Religionsverhältnisse in Magdeburg verantworten sollen, Esslingen, 10. September 1524.
Die Quelle
Die als Abschrift überlieferte Quelle mit der Signatur 882 wird als Teil einer Akte im Hauptstaatsarchiv Weimar im Bestand des Ernestinischen Gesamtarchivs (EGA) aufbewahrt. Auf sechs Seiten finden sich jeweils 14-37 handschriftliche Zeilen, die im Namen von Kaiser Karl V. durch das Reichsregiment zu Esslingen am 10. September 1524 verfasst wurden.
Adressiert ist die Quelle an Bürgermeister, Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg. Diese sollen sich vor dem Reichskammergericht für die Änderung der Religionsverhältnisse in Magdeburg verantworten.
In der Quelle werden den Adressaten Verstöße gegen das Wormser Edikt vorgeworfen. Dabei sollen sie einerseits aktiv entgegen des Edikts gehandelt und andererseits passiv durch nicht entsprechende Gegenmaßnahmen gegen dieses verstoßen haben. So wird ihnen beispielsweise unterstellt, in den Pfarrkirchen lutherische Mönche als Prediger angestellt zu haben, um die Magdeburger vom rechten Glauben abzubringen. Die Mönche seien andernorts entlaufen. Darüber hinaus hätte der Altstädter Rat Magdeburgs – entgegen mehrfacher Warnungen – die eigentlichen, frommen Pfarrer mit Gewalt verjagt. Weitere Vorwürfe sind das Zulassen öffentlicher Predigten durch Luther, das gewalttätige Eindringen in das Haus eines Priesters in der Altstadt und das Zerstören von Altar- und Tafelbildern im Paulinerkloster. Besonders dem regierenden Bürgermeister Klaus Storm wird vorgeworfen, dass er nichts getan habe, um die Aufruhr und Gewalt in Magdeburg zu beruhigen.
Die verschiedenen unterstellten Handlungen sind für das Reichskammergericht Beweise für die veränderten Religionsverhältnisse in Magdeburg. So heißt es in der Quelle die Stadt habe „aus eigenem furnemen, und gewalt der heiligen christlichen kirchen satzung abgethan, die luterischen leer und sect angenommen“. Die Ereignisse in Magdeburg sollen für Bürgermeister, Rat und Innungsmeister „nit zuwider, sonder gefellig gewesen“ sein.
Schließlich wird eine Ladung vor das Reichskammergericht in Esslingen am 17. Oktober 1524 ausgesprochen. Dabei soll sich Magdeburg zu den Vorwürfen äußeren und somit eine Erklärung hervorbringen.
Inwiefern die Anklagepunkte der historischen Wirklichkeit entsprechen kann unter anderem durch die Historia des Möllenvogts Langhans, der als Amtmann des Erzbischofs in Magdeburg auftritt[1], nachvollzogen werden. Dieser berichtete von den Unruhen in den Jahren 1524 und 1525 in Magdeburg und hielt verschiedene Ereignisse mit Datierungen fest. So beschrieb er zum Beispiel, dass „der Radt und die gemeine eigene Pfarherr gesetzt [habe] nach Wittembergischer ahrt und gemeiniglich eitele verlaufene Mönche“[2]. Die „Artikel des Volkes“[3] zeigen beispielsweise, dass sich der Rat tatsächlich an die Spitze der Reformationsbewegung gestellt hat.
Die Quelle mit der Signatur 881 vom 6. September 1524 kann als Vergleichsquelle betrachtete werden. Da es sich bei dieser auch um das Mandat des Reichsregiments handelt. Neben einigen Parallelstellen ist sie mit neun handschriftlichen Seiten umfangreicher. Eine Transkription nach anderer Vorlage kann bei Hülße nachgelesen werden.[4]
[1] Vgl. Scholz, M.: Stadtherr, Rat und Geistlichkeit – Stadtverfassung und Sakraltopographie in
Magdeburg am Vorabend der Reformation. In: Ballerstedt, M.; Köster, G.; Poenicke, C. (Hg.): Magdeburg und die Reformation. Teil 1 Eine Stadt folgt Martin Luther, Halle (Saale) 2016, S. 57-79, hier: S. 67.
[2] Die Historia des Möllenvogts Sebastian Langhans, 1524/25. In: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Magdeburg, Bd. 2, bearb. von Gustav Hertel, Leipzig 1899, S. 143-208, hier: S. 157f.
[3] Simowitsch, K.: Der Rat stellt sich an die Spitze der Reformationsbewegung. Die Artikel des Volkes, 1524; URL: de/detailansicht.html?sig=888 [02.10.2024].
[4] Vgl. Hülße, F.: Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg, Magdeburg 1883, S. 127-131.
Der Hintergrund
Mit dem Wormser Edikt, welches am 8. Mai 1521 erlassen wurde, wollte Karl der V. der Ausbreitung der Lehre Martin Luthers entgegenwirken. Dennoch befassten sich viele Magdeburger früh mit den neuen Ideen. Dabei kam es schon im Frühjahr 1521 zu ersten Übergriffen auf Geistliche. Die reformatorische Bewegung wurde zunächst durch den Magdeburger Rat unterdrückt. Doch zunehmend nahm dieser die reformatorischen Maßnahmen und Entwicklungen an und beförderte sie sogar. Die Unruhe spitzten sich im Jahr 1524 zu.[1]
Schon länger gab es Spannungen zwischen Magdeburg auf der einen Seite und dem Stadtherrn Kardinal Albrecht von Brandenburg sowie dem Domkapitel auf der anderen, die durch die Ereignisse 1524 verschärft wurden. Magdeburg wollte sich zunehmend von ihrem Stadtherrn lösen und dadurch zu mehr Autonomie gelangen.[2]
Kardinal Albrecht von Brandenburg befand sich während dieser Zeit in seinem Erzstift in Mainz. Deswegen wurde er durch seine Hofräte, das Domkapitel und den Möllenvogt über die Ereignisse im Magdeburg informiert. Er forderte den Altstädter Rat auf, die alten Religionsverhältnisse wiederherzustellen. Doch seine Aufforderung wurde missachtet. Seine Hofräte legten ihm deswegen nah, Magdeburg vor dem Reichsregiment zu verklagen sowie eine Beschwerde bei Karl V. einzureichen. Diese Vorschläge setzte Kardinal Albrecht von Brandenburg um. Während seine Hofräte die Anklageschrift vorbereiteten, forderte das Domkapitel den Kardinal auf, nach Magdeburg zukommen, um wieder Ruhe herzustellen. Denn sie sorgten sich um ihre Sicherheit und sahen sich sonst gezwungen die Stadt zu verlassen. Albrecht von Brandenburg entgegnete, dass sie möglichst lange in der Kirche verbleiben sollten. Gleichzeitig forderte er seine Hofräte auf, das Verfahren gegen Magdeburg zu beschleunigen. Mit der Anklage sollten verschiedenen Ziele verfolgt werden. So wurde gehofft die Reichsacht, Aberacht und einen Bann über Magdeburg verhängen zu können.[3] Außerdem stellt die Anklage ein Hilfsgesuch dar, um „Hilfe und Beistand gegen die rebellische Stadt“[4] zubekommen.
Beide Seiten blieben nicht untätig und suchten verschiedene Verbündete. Die Hofräte und das Domkapitel wendeten sich für einen Rat an Albrechts Bruder Joachim von Brandenburg. An Herzog Georg von Sachsen wendeten sie sich, damit dieser, falls sich die Anklage Magdeburgs als gerechtfertigt erweisen würde, die Acht über Magdeburg exekutieren könne. Am 23. Juli fand ein Burding statt. Darin schworen die Bürger dem Rat Gehorsam und Treue sowie die Verteidigung des Evangeliums. Magdeburg suchte Beistand bei Kurfürst Friedrich von Sachsen, Herzog Heinrich von Braunschweig nach Wolfenbüttel und Fürst Wolfgang von Anhalt. Doch ihre Bemühungen führten zu nichts. Die Magdeburger bereiteten sich dennoch auf eine Eskalation des Konflikts vor, indem sie Gräben und Wälle erneuerten und erhöhten, Rüstungen aufarbeiteten und für Proviant sorgten. Am 11. August 1524 wurde eine allgemeine Musterung der Bürger durchgeführt. Dabei wurden sie auf eine militärische Auseinandersetzung vorbereitet.[5]
Das Reichsregiment und -kammergericht in Esslingen sahen eine passende Gelegenheit, dass Wormser Edikt an einer größeren Stadt zur Ausführung zu bringen. Die Mandate erreichten Magdeburg am 27. September 1524.[6]
In der Quelle werden viele verschiedene Personen und Gruppen benannt. Adressiert ist die Anklage an Bürgermeister, Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg. Der Rat besteht aus einem rotierenden System aus regierendem, altem und oberaltem Rat. Diese setzen sich jeweils aus 12 Ratsherren zusammen, wovon zwei Bürgermeister sind. Somit gab es in der Regel zwei regierende Bürgermeister. Einer wird in der Quelle namentlich benannt – Klaus Storm. Die Innungen sind die Vertretung der Berufsstände. Die Innungsmeister führen eine beratende Funktion im Stadtregiment aus.[7] Der in der Quelle genannte Kammerprokurator/ -fiskal („camerprocurator, fiscal“) ist ein Beamter des Reichskammergerichts.[8] Außerdem namentlich erwähnt wird Doktor Melchior Mirisch, der als Doktor der Theologie und Prediger 1522 nach Magdeburg gekommen ist.[9] Ihm wird vorgeworfen am 9. August 1524 achtzehn Artikel im Sinne der Reformation in Druck gestellt zu haben. Diese können in der Historia des Möllenvogts nachgelesen werden. Darin heißt es zum Beispiel „12. Derhalben muß man in Christlichen sachen nicht Acht haben auf Menschen wan, gesetz, recht, gewonheit oder alt herkommen, sonder allein auf die schrifft und Gottes wordt“[10]. Der benannte „Grawhart“ ist aus dem Helmstedter Augustinereremitenkloster entlaufen und predigte anschließend ab Frühjahr 1524 in Magdeburg. In der Quelle wird beschrieben, dass Grawhart öffentlich gepredigt hätte, das Wort Gottes sei durch Blutvergießen zu verteidigen und Mönche sowie Pfaffen sollen vertrieben und geschlagen werden. Dabei stellt „der Aufruf zur Gewalt […] nichts dar, was Grawerts Predigt in irgendeiner Weise von der seiner Kollegen unterscheidet.“[11]
[1] Vgl. Kaufmann, T.: Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ (1548-1551/52) (Beiträge zur historischen Theologie 123), Tübingen 2003, S. 23, 26f.; Möller, B.: Reichsstadt und Reformation. Tübingen 2011, S. 66.
[2] Vgl. Kaufmann 2003, S. 15, 26.
[3] Vgl. Hülße 1883, S. 114, 116f., 119.
[4] Ebd., S. 119.
[5] Vgl. Hülße 1883, S. 116, 120-124; Kaufmann 2003, S. 33; Möllenvogt 1524/25, S. 165f.
[6] Vgl. Hülße 1883, S. 127.
[7] Vgl. Scholz 2016, S. 70.
[8] Vgl. Battenberger, J.F.: Kammergericht. In: Lexikon des Mittelalters (LMA). Bd. 5 (1991), S. 890.
[9] Vgl. Janicke, K.: Miritz, Melchior. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), 21 (1885), S. 779-780 [Online Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138387362.html#adbcontent [9.10.2024].
[10] Möllenvogt 1524/25, S. 161-163, hier: S. 162.
[11] Kaufmann 2003, S. 25.
Bedeutung der Quelle
Die beiden Mandate vom 6. und 10. September (Magdeburger Spuren, Nr. 881 und 882) verdeutlichen die altgläubige Position und Sichtweise auf die Reformation. Verstöße gegen die „gemeyne uffatzung, der heiligen christlichen kirchen, guten sitten allen rechten, und gemeynem landfrieden“ werden konkret beschrieben und benannt. Die Anklage beruht dabei auf Berichten von Angestellten des Stadtherrn Kardinal Albrecht von Brandenburg. Durch die Anklagepunkte wird außerdem ein Bild über die Geschehnisse im Jahr 1524 in Magdeburg gezeichnet. Diese können beispielsweise aus der Historia des Möllenvoigts nachvollzogen werden.[1] Ob schlussendlich jeder Anklagepunkt der Realität entsprach, kann aufgrund der Quellenlage nicht abschließend überprüft werden.
Die Quelle ist bedeutend, weil darin Magdeburg erstmalig zu einer Stellungnahme aufgefordert wird. Der Ausgang der Verhandlung vor dem Reichskammergericht ist zu diesem Zeitpunkt noch völlig ungewiss. Vorher trat der Rat der Stadt nach außen eher neutral auf, indem beispielsweise Bündnisse im Geheimen gesucht wurden.[2] Nach Aufforderungen des Domkapitels, der Rat solle gegen die Unruhen vorgehen, hatte dieser geäußert, dass er der Gemeinde gegenwärtig nicht „mächtig“ sei. Während sich der Rat also nach außen als handlungsunfähig präsentierte, agierte er nach innen deutlich aktiver und war kein Spielball der reformatorischen Bewegung.[3] Das Vorgehen der Stadt Magdeburg kann mit dem Verhalten Friedrich des Weisen verglichen werden. Beide verfolgen die Strategie der Dissimulation. Hinter dieser Strategie sind einerseits wirtschaftliche Motive zu vermuten und andererseits konnte sich der Rat dadurch „gewisse politische Handlungsspielräume“[4] offen lassen. Dabei sollte zum Beispiel verhindert werden, dass die Reichsacht über Magdeburg verhängt wird. Denn diese hätte weitreichende wirtschaftliche Schäden zur Folge.[5]
Die Gegner der Reformation und Magdeburgs bereiteten sich darauf vor, dass während der Verhandlungen Verstöße gegen das Wormser Edikt bewiesen werden. Kardinal Albrecht von Brandenburg wendete sich an Herzog Georg von Sachsen. „Damit dieser, sobald die Klage als gerechtfertigt erkannt würde, im Namen des Kaisers die Acht über die Stadt Magdeburg aussprechen könnte.“[6]
Als Magdeburg die Klage erhielt, wurde versucht diese abzuwenden. Dabei wurden einerseits Drohungen gegenüber der Geistlichkeit in Magdeburg ausgesprochen. Andererseits verhandelte der Rat mit den Domherren und stellte sich damit zufrieden, dass das Domkapitel Fürsprache bei Kardinal Albrecht von Brandenburg einlegen wollte, um die Klage abzuwenden. Der Großteil der Bürgerschaft war mit diesem Einigungsversuch nicht zufrieden, da jedes Nachgeben seitens Magdeburg ein Verrat an Gottes Worten sei.[7]
Nachdem Magdeburg angeklagt und vorgeladen wurde, kam es am 14. November 1524 zur Verhandlung. Zehn Tage später am 24. November reichte Magdeburg eine Verteidigungsschrift ein. In dieser versuchte die Stadt nachzuweisen, dass alle Veränderungen in Magdeburg von der Bürgerschaft ausgingen und den Rat keine Schuld treffe. Damit verfolgten sie weiterhin die Dissimulationsstrategie. Erst im Juli 1527 fand der Prozess ein Ende mit der Verhängung der Reichsacht über Magdeburg. Grund für die Verzögerung war eine Schwerpunktverschiebung der Reichspolitik durch den Bauernkrieg.[8]
Weiterführende Literatur
- Battenberger, J.F.: Kammergericht. In: Lexikon des Mittelalters (LMA). Bd. 5 (1991), S. 890.
- Die Historia des Möllenvogts Sebastian Langhans, 1524/25. In: Die Chroniken der niedersächsischen Städte. Magdeburg, Bd. 2, bearb. von Gustav Hertel, Leipzig 1899, S. 143-208.
- Hülße, F.: Die Einführung der Reformation in der Stadt Magdeburg, Magdeburg 1883.
- Janicke, K.: Miritz, Melchior. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), 21 (1885), S. 779-780 [Online Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd138387362.html#adbcontent [9.10.2024].
- Kaufmann, T.: Das Ende der Reformation. Magdeburgs „Herrgotts Kanzlei“ (1548-1551/52) (Beiträge zur historischen Theologie 123), Tübingen 2003.
- Möller, B.: Reichsstadt und Reformation. Tübingen 2011.
- Scholz, M.: Stadtherr, Rat und Geistlichkeit – Stadtverfassung und Sakraltopographie in Magdeburg am Vorabend der Reformation. In: Ballerstedt, M.; Köster, G.; Poenicke, C. (Hg.): Magdeburg und die Reformation. Teil 1 Eine Stadt folgt Martin Luther, Halle (Saale) 2016, S. 57-79.
- Simowitsch, K.: Der Rat stellt sich an die Spitze der Reformationsbewegung. Die Artikel des Volkes, 1524; URL: de/detailansicht.html?sig=888 [02.10.2024].
Transkription
[fol. 28r] Wir Karl der fünfft von Gots gnadenn erwelter romischer keyßer, zu allen zeitenn mehrer des Reichs etc., in Germanien zu Hispanien beider Sicilien Jerusalem, Hungern, Dalmatien, Croacien, etc. konigk, ertzhertzog zu Ostereich, hertzog zu Burgundi etc., grave zu Habspurgk Flandern und Tirol etc. entbieten den erßamen und unßern und des reichs lieben getrewen burgermeistern, rath, innungmeistern und gantzer gemeind der stadt Magdeburgk unser gnad und alles gut.
Unserm keißerlichem camergericht hat der erßam, gelert, unser und des reichs lieber getrewer Caspar Mart der rechten doctor, unßer keyßerlichen camerprocurator, fiscal mit clag furpracht, wie ir in den pfarkirchen bei euch außgelauffen monich zu predigernn, und das volck nach luterischer art, von dem rechten glauben zupringen, euch angemast, und wiewol, der hochwirdig in Got vater herr Albrecht, der heiligen romischen kirchen des titels sancti Petri ad vincula prister cardinal, ertzbischof zu Meintz und Magdeburgk administrator des stifts Halberstadt, primas, des heyligen romischen reichs durch Germanien ertzcantzeler, unßer lieber frundt und churfurst, des orts ordinari, in crafft unßers keyßerlichen edicts zu Wormbs, widder gedachten Luther ausgangen, euch vom rath manichfaltiglich gewarnet, und an euch begert, die selben luterischen prediger, nit zuzulassen, szonder aus der Stadt zcuverweißenn. So sollet ir doch das gentzlich, veracht unnd gemelte monich nit allein zu predigen zugelaßen, ßunder die rechten fromen pfarrer, daselbst mit gewalt von irn pfarren, voriagt und die selben verlauffen monch zu pfarrern, erwelt, gesatzt, angenomen, mit leutenden glocken, und professen, gleich ob sie bischoff weren, da fur sie sich dan auch schreiben, nennen, und schreiben lasßen, eingefuert, und Te deum laudamus gesungen. Wie ir euch auch understanden, sanct Marien Magdalene[n] junckfrawen closter in der Altenstadt Magdeburgk, durch einen luterische[n] [fol. 28v] monch zu visiterenn, die erbarn kinder dar in zu luterischen leer und sect zubewegen und von irem gotlichen wesen zupringen und zufüren, uber und wider das, ir von gemeltem unßerm liebenn freundt und churfursten, des keinen bevhel gehabt, wie ir auch aus eigenem furnemen und gewalt der heiligen cristlichen kirchen satzung abgethan, die luterischen leer und sect angenomen, die selben zuhalten gebotenn. Darzu gedachten Luther, auf sanct Johans Babtisten tag nechtsyorschienen, in eigener person zu euch gen Magdeburgk erfordert, daselbst etlich predig offentlich gethan, und darnach den selbenn Luther mit reyßigen, gen Zcerbst starck vorgeleyte[n] lasßenn, aus welchem predigen dan auch gevolgt, das bißher Teutsch mess gehaltenn, das volck under beyder gestalt bericht, und ßust vil anders das ketzerisch durch euch geubt und gehandelt worden. Wie ir euch auch understeen, die geistlicheit da selbest gantz zu vertilgen, und zcuvertrucken, und ire guter nach ketzerischer art anszcunemen und zubehaltenn. Darzu zu noch merer anszeig ewrers luterischen gemüts und furnemens noch achtzehn artikel widder gemeyne ufsatzung der heiligen cristlichen kirchen, guten sitten allen rechten und gemeynem landfrieden zuwider, ßunderlich in dem ir der geistlicheit allen gewalt unnd obrigkeit abschneiden, under einem titel anfahendt doct<or> Melchior Mirisch etc. in truck stellen, weyter auch ein offen edict außgeen, und in baurding verkunden lassen, das niemands widder abberurte, ewer angenome[n] Teutsch meß und andere ewer ceremonien reden solle, bei ewer des rats straff unnd wilkühr. Derhalb ir auch etlich in straff genomen, und also durch anleytung, und anreitzung obberurter ewre prediger, willens und gemüts seit, in denn clostern, in der Alten[st]adt, auch im dhumbstifft zu Magdeburgk, die predig und messen gantz abzcupringen[n] und niderzulegenn, wie auch einer weltlich und ungeweihet [fol. 29r] Grawhart genant, kurtzverrugter tag, zu sanct Jacob gepredigt und offentlich gesagt, wie das wort Gots, durch plut vergissung gehandthabt und vorthedingt werden, und das es an das nichts were, man mußte darzu thu, das die monch und pfaffenn, außgetriben und geschlagen wurden, damit ir heuhlen, und falsche predig nach pleiben mochte. Dan es unnutz das einer pawete, und der ander widderumb zuspreche, wie ir auch uber solchs alles den leichnam sancti Florentii bischofs, so nach gewonheit mitten in der kirchen gestellt, mit gewalt umbwerffen wollen, etlich silber pildt, und stuck silbers, von dem grab dar in der gelegenn, abgerissen, mit euch hinweg, getragen, und wo der thumbdechant, und ander prelaten nit furkomen solchen leichnam in die sacristei nit gepracht, ir, als zcuvermuten, damit vil schmelichs gewalts getriben hetten und wie ir ein junkfrawen closter zu sanct Agneßen, in der Nawenstadt, durch etlich vorsamelte, an liechtem tag, erbermlich gesturmet, die fenster und thurn zerschlagen, etlich profeß junckfrawen uber iren willen daraus in die Altenstadt Magdeburgk gefurt, und darnach in der selben Altenstadt, eines pristers behaußung (darin doch ein yeder pillich freiheit haben solt) mit gewalt aufgestossenn, penck, tisch, fenster und ofen, darin zerhawen, zerschlagen, und alles so darin an gelt, und farender hab funden, gentzlich und gewaltiglich genomen, hinweg getragen[n], und des unerßetiget, den brobst zw Lyßkawe, so der zeit zu Magdeburgk geweßen, darzu auch den brobst Unßer frawen kirchen, mit sechshunderten starck getrungen sich mit Jacoben Mertins, so den selben brobst, mutwilligen weiß, bevhedt, zcuvortragen und dem selben Jacoben, wo er, der brobst, nit tod geschlagen werden wollen, für sein vermeinte anforderung sechsshundert und zcehn gulden zugeben. Wie ir auch furter auff Assumpta[tione] Marie, und den Sontag darvor im barfußer und sanct Pavels clostern, zween bruder [fol. 29v] und prediger, erstlich mit ketzerischen gesangen in der predig turbirt, und darnach offentlich geruffen habenn, „monch du leugst“, und die selben prediger geschmehet, mit fauelen eigernn und steynen zu inen geworffenn von den predigstuelen vortribenn, inen nach geschrien „monch hanrey“, „monch hanrey“, „der wolff, der laufft“, „der Wolff, der laufft“, die pilder zcum teyl aus der kirchenn getragen und zerschlagen. Darzu etlich aus euch die ermel vol stein geleßen, nach dem dhumbstift gelauffen, sich horen laßen, wa der thumprediger, aufsteigen und predigen werde, inen vom predigstul, oder darauff mit steynen zu tod werffen, und zu vesperzeit mit großer anzcal, in den chor kamen, von den thurificiren und andern ceremonien, ewer gespott getriben, dem succentor oder sangmeister, mit großen vorsamlung, uub die sechshundert, nach gelauffen, in meynung, in tod zuschlaen, den dhumbdechent in seinem mundt geschlagenn, und ime sein chorrock zcerrissen, darzu alle ampeln[n] im thumb freyenlich zerschlagen, und den wiehkessel vol unflats gefullet. Welch unweßen, ufrur und gewalt du Claus Storm als regierender burgermeister mit ewer vil andern burgern und verwanten des rats geseen, doch damit das volck gestillet worden were, nichts darzu gethan habent. Ab welchem zcuvornemen, das es euch vom regime[n]t zu Magdeburgk, und andern burgern nit zuwider, sonder gefellig gewesen, und darauf wider umb in das Pauler closter gelauffen daselbst, die pilder von den altaren und tafeln abgerissenn und zerschlagenn, auch zu hon und spot, vil pilder hingenomen und weg getragenn. Alles unnd yedes widder Got, seyne heiligenn cristenliche religion, babstlich heiligkeit, gemeyne geschriben recht, gulden bull, keyßerlich reformation, unnßern und des reichs außgekundten landtfrieden, unnd abbemelt unnßer keyßerlich edict zu Wormbs außgangenn. Dar- [fol. 30r] umb ir dann auch, in die peen, gemelter rechtenn bull reformationn landtfriedens, und edicts, mit der thatt gefallenn seit, und darauff amptshalber, umb nachfolgend ladung, auch ander nottdurfftig hulff des rechtenn gegenn euch demutiglich angeruffen, unnd gebetenn. Deweil wir dan solch angeruffen und gebetenn hilff, des rechten zcuverhelffenn, schuldig unnd geneigt sein, ime auch solche ladung erkandt ist. Darumb so heischenn und ladenn wir euch von Romischer keyßerlicher macht, hirmit gebietend, das ir auff den Siebenzceenden tag des monats Octobris, nechstkunftig den wir euch vor den erstenn, andern, drittenn, letztenn unnd endtlichen rechttag setzenn unnd benennen peremptorie, oder ob der selbig tag, nicht ein gerichts tag sein werde, den nechsten gerichtstag darnach, an gedachtem unßerm camergericht, wie recht ist, erscheinet, zusehn und horen, euch aller obbestimpter thatten, und handelungenn halben, sampt oder ßunderlich, auf gedachts unnßer camerprocurator, fiscals anruffenn, in unßere unnd des reichs acht, unnd andere peen, straff und puß in obbestimpten rechtenn bullen reformation landtfriden, und edict bestimpt, sampt oder ßunderlich gefallen sein, mit urteil und rechtsprechenn, erkennen, erclerenn, denunctieren[n] und verkundenn, oder aber rechtmessig gegrundt einredenn da gegenn (ob ir die hettet) fur zubringenn. Der sachenn und aller irer gerichtstag unnd termyn, bis nach endtlichem beschluß unnd urteil außszuwartenn, wan ir koment und erscheinet, alßdann also oder nit, so wirdet nichts [fol. 30v] destominder mit gemelter erclerung, erkantnuß, denunctiac[i]on procedict, wie sich das nach seiner ordenung geburtt. Darnach wißt euch zurichtenn, gebenn in unnßer unnd des reichs stadt Esslingen am Zceendenn tag des monats Septembris, nach Cristi gepurth Funffzcehnhundertt, unnd im vierundzweenzigtenn, uncßerer reiche des romischen im sechstenn, unnd der anderenn aller im neundenn jaren ad mandatum d[o]m[inus] imperator[is] p[ro]prium Ambrosius Dieterich doctor verwalt[er] etc. s[ubscripsit] Caspar Hamersteter judicii etc. camer[arius] imp[er]a[toris] p[ro]thonot[ariu]s s[ubscripsit].