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Magdeburger Spuren, Nr. 609

Kaiserliches Privileg für die Stadt Magdeburg über die freie Schifffahrt auf der Elbe zwischen Magdeburg und Hamburg, Wien, 6. August 1569.

Die Quelle

Das unter der Signatur „Judicialia Antiqua 12-4a“ im Österreichischen Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien aufbewahrte Dokument ist Teil einer Akte mit dem Titel „Hamburg und Magdeburg contra Braunschweig-Lüneburg und Lüneburg; Bitten um kaiserliche Verfügungen (Mandat, Privileg, Fürbittschreiben) in Auseinandersetzung um die freie Schiffahrt“. Das ungebundene Konvolut überliefert Material über Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Magdeburg und dem Herzog von Braunschweig-Lüneburg sowie der Stadt Lüneburg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

In dieser Akte befinden sich zahlreiche beglaubigte Abschriften von kaiserlichen Privilegien für die Stadt Magdeburg, von Urkunden verschiedener Landesherren und weitere Schriften zur Schifffahrt auf der Elbe.

Das vorgestellte Privileg ist am Kaiserhof in Wien am 6. August 1569 ausgefertigt und im dortigen Archiv in einer Abschrift zu den Akten genommen worden. Es beginnt auf der Vorderseite von Blatt 47, umfasst 6 Seiten und endet mit der Unterschrift des kaiserlichen Kanzleisekretärs Peter Obernburger (1530–1588) auf der Rückseite von Blatt 45. Es ist mit Tinte in einer sauber ausgeführten deutschen Kurrentschrift auf Papier geschrieben.

Der Hintergrund

Sichere und freie Verkehrswege waren zu allen Zeiten Grundvoraussetzung für eine florierende Wirtschaft. Für die bedeutende Handelsstadt Magdeburg war die Elbe die wichtigste Verkehrsader für den überregionalen Warenverkehr. Magdeburg hatte sich bis zum 16. Jahrhundert zum Zentrum im Elbhandel entwickelt, insbesondere mit Norddeutschland, aber auch darüber hinaus mit den Ostseestaaten, den Niederlanden und England. Der Wasserweg über Hamburg war eine Lebensader der Stadt. Doch die Kleinstaaterei in Deutschland hatte zur Folge, dass auch andere Territorialstaaten und Städte vom Handelsverkehr auf der Elbe profitieren wollten, in dem sie Zölle erhoben. Oft wurde versucht, fremde Händler zu behindern, um den eigenen Kaufleuten einen Vorteil zu verschaffen.

Aus diesem Grund wandten sich die Bürgermeister und Räte der Städte Magdeburg und Hamburg am 1. Juni 1569 gemeinsam an den Kaiser und schildern ihm die Einschränkung der Elbeschifffahrt durch die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und die Stadt Lüneburg. Man bat ihn, die freie Schifffahrt durchzusetzen (vgl. Magdeburger Spuren Nr. 607). Darüber hinaus kündigten die beiden Städte eine Klage vor dem Reichskammergericht an (vgl. Magdeburger Spuren Nr. 608).

Seit jeher seien sie im Besitz des Privilegs der freien Schifffahrt auf der Elbe gewesen und hätten auf diesem Verkehrsweg Handel getrieben. In den vergangenen Jahren aber sei die Schifffahrt von den Herzögen Heinrich und Wilhelm d. J. von Braunschweig-Lüneburg gesperrt worden. Man hätte sie aufgefordert, die Waren in Lüneburg auszuladen und von dort auf dem Landweg zu transportieren. Die beiden Städte erläuterten, dass sich diese Maßnahme nicht nur für ihre Bürger, Händler und Schiffer, sondern auch für alle anrainenden Fürstentümer nachteilig auswirkten. Sie baten um ein kaiserliches Privileg, dass ihnen bei weiteren Eingriffen durch die Welfenherzöge eine Klage vor dem Reichskammergericht ermöglichen würde.

Dieses Privileg wird hier präsentiert.

Damit war die Auseinandersetzung allerdings nicht beendet. Nun beschuldigten Magdeburg und Hamburg Herzog Wilhelm d. J., den Zoll für auf der Elbe transportierte Wolle erhöht zu haben. Auch die Einrichtung einer Kommission unter der Leitung Herzog Johann Albrechts von Mecklenburg und Joachim Ernsts von Anhalt im März 1570 brachte keine Lösung. 1571 berichteten sie dem Kaiser über fortgesetzte Behinderungen der Elbeschifffahrt (vgl. Magdeburger Spuren Nr. 610). Jede eigenmächtige Zollerhöhung sollte verboten werden und unrechtmäßig eingezogene Zölle erstattet werden. Obwohl weitere Kommissionen tätig wurden und am 4. April 1575 ein kaiserlicher Befehl an Herzog Wilhelm d. J. ging, die vorgenommene Zollerhöhung wieder rückgängig zu machen und bei den alten Zöllen zu bleiben, war 1579 der Streit noch nicht beendet.[1]


[1] Ausführlich siehe dazu: http://www.archivinformationssystem.at/detail.aspx?ID=4211487.

Das Privileg des Kaisers

Das kaiserliche Privileg vom 6. August 1569 folgt in seinem Aufbau weitgehend dem klassischen Formular einer Kaiserurkunde. Es beginnt mit der Intitulatio und nennt Kaiser Maximilian II. unter Aufführung aller seiner Titel und Besitztümer als Aussteller der Urkunde. Nach der formelhaften Betonung der Allgemeingültigkeit des folgenden Rechtsaktes werden die Gründe für die Urkundenverleihung genannt. Im vorgestellten Fall hatten die rathmanne und innungsmeister der alten stadt Magdenburgk undertheniglich furgebracht und zuerkennen gegebenn, dass die Bewohner der Stadt von den umbwohnenden fursten, graven, edlen, stetten, ampt- und anderen gerichtsleutten häufig in ihren Rechten eingeschränkt wurden.

Deshalb wurde aus romischer kaiserlicher machtt vollkommenheit festgelegt, dass niemand, egal welchen Standes er wäre, Magdeburger gutter oder auch derselben personen mitt arrest, kommer, repreßalien oder dergleichen unordentlichen mitteln weder zu wasser noch zu lande und sonderlich auf dem freien Elbstrom zwischen den beiden stetten Hamburg und Magdeburg uf- und abwertz oder anderswo angreiffen, uffhalten oder beschweren durfte. Zum Nachdruck befahl das Reichsoberhaupt allen Untertanen, Magdeburgs Rechte zu bewahren, und drohte bei Zuwiderhandlungen eine Strafe in Höhe von hundert marck lotigs golts an.

Am Ende der Urkunde werden die Beglaubigungsmittel angekündigt, in diesem Fall ist die Urkunde besiegeltt mit unserm kaiserlichen anhangenden insiegele.

Den Abschluss bildet ein Kanzleivermerk mit den Gegenzeichnungen der Behörden des Erzbischofs von Mainz als Reichserzkanzler sowie der kaiserlichen Kanzlei.

Bedeutung der Quelle

Mit Sicherheit wurde das Original der hier vorgestellten Urkunde in einer repräsentativen Ausfertigung bis zu dessen Zerstörung im Magdeburger Stadtarchiv aufbewahrt. Es belegt, dass Magdeburg seine Stellung als Handelsmetropole stets gegen regionale Konkurrenz verteidigen musste, dazu überregionale Bündnispartner wie hier die Stadt Hamburg fand und seine Interessen direkt am kaiserlichen Hof zu wahren verstand.

Weiterführende Literatur:

Heinrich Rathmann, Geschichte der Stadt Magdeburg von ihrer ersten Entstehung an bis auf gegenwärtige Zeiten, Band 4, Magdeburg 1806, S. 73 ff.

Transkription

[fol 47r]

Wir Maximilian der ander von Gottes gnaden erwölter romischer kaiser, zu allen zeitten mehrer des reichs zu Germanien, zu Hungern, Behaim, Dalmatien, Croatien znd Schlavonien etc. konig, ertzhertzog zu Osterreich, hertzog zu Burgundi, zu Brabandt, zu Steir, zu Carndten, zu Crain, zu Lutzemburg, zu Wirttemberg, Ober- und Nidernschlesien, furst zu Schwaben, marggrave des Hey[ligen] Ro[ischen] Reichs zu Burgaw, zu Mährern, Ober- und Niderlaußnitz, gefurster grave zu Habspurg, zu Tyroll, zu Pfirt, zu Kyburg und zu Gortz, landtgraff zu Elsas, herr auf der Wendischen Marck, zu Portenow und zu Salnis,

bekenne offentlich mitt diesem prieff und thu kundt allermenniglich, das uns die ersamen unsere und des reichs lieben getrewen N rathmanne und innungsmeister der alten stadt Magdenburgk undertheniglich furgebracht und zuerkennen gegebenn, ob woll in gemeinen beschribenen rechten deßgleichen des heiligen reichs constitutionen, ordnungen und satzungen stattlich und woll versehen und verordnet, das kein sach mit arrest, kummer oder repreßalien und also von der execution angefangen, sonder ein jeder bei ordentlichen rechten ge-

 

[fol. 43v]

laßen werden solle. Unnd dan sie, die gedachten rathmanne und innungsmeister der alten stadt Magdeburg einem jeden umb sein spruch und forderung zu ordentlichem rechten zustehen und demselben nicht vorzusein bißhero albegen urpüttig gewesen und noch waren, so trug sich doch gar offt und vielmals zu, das sie nicht allein an iren gemeinen der stadt, sonder auch ihrer kirchen, closter, hospital, burger, einwoner, diener und verwandten guettern und personen von den umbwohnenden fursten, graven, edlen, stetten, ampt- und anderen gerichtsleutten uber alles ihr rechts erpieten mit arrest, kommer, repreßalien vielfeltiglich beschwert wurden, also das sie der gemeinen rechte und reichsordnungen offtmals nicht genießen, sondern sich zu unpillichen vertregen und compositionibus tringen laßen mueßen auch vielmahln der unschuldige vor den schuldigen beschwert wurde unnd uns darauf demutiglich angeruffen und gepeten, das wir ihnen auch ihren clostern, hospitalen

 

[fol. 44r]

burgern, einwohnern, dienern und verwanten zu abwendung solcher angezogen beschwerden mit unserer kaiserlichen hilff und einsehen zuerscheinen gnediglichen geruchten.

Des haben wir angesehen solch ihr demutig zimlich pitte auch die getreuen dienste, so ihre vordern weilandt unsern vorfarn am reich romischen kaysern und kuningen offt williglich gethan und sie uns und dem heiligen reich hinfuro woll thun sollen und mögen.

Unnd darumb furnemlich auch, das wir one das alle unsere und des reichs underthanen  und getrewen bei rechten und unsern und des hayligen reichs heilsamen constitutionen satzungen und ordnungen zu erhalten, handzuhaben, zuschutzen und zuschirmen, wie uns dan auch unsers tragenden kayserlichen ambtshalben gefurenn will wollgenaigt und gentzlichen gemaint sein, mitt wolbedachtem mueth guetem rath unnd rechter wißen den bemelten rathmannen und innungsmeistern der altenstadt Magdeburg uber vorberurte fursehehung gemeiner be-

 

[fol. 44v]

schriben rechte, reichs constitutionen und ordnungen noch ferner sondere gnad gethan und freihait gnediglich gegeben.

Thun und geben ihnen die auch hiemit von romischer kaiserlicher machtt vollkommenheit wißentlich in crafft ditz brieffs, also das nuhn hinfuro in ewige zeitt niemandt was wirden standes oder[a] wesens der oder die sein, bemelter stadt Magdenburg oder ihrer kirchen, closter, hospitalen. burger, einwoner, diener und verwandten sonderbare gutter oder auch derselben personen mitt arrest, kommer, repreßalien oder dergleichen unordentlichen mitteln weder zu wasser noch zu lande und sonderlich auf dem freien Elbstrom zwischen den beiden stetten Hamburg und Magdeburg uf- und abwertz oder anderswo angreiffen, uffhalten oder beschweren, sondern sich derselben gegen inen allen und jeden gentzlich enthaltenn. Und was sie zu ihnen sammtlich oder zu jedem insonderheit zusprechen, durch den ordentlichen weg

 

[fol. 45r]

des rechtens, deßen sie wie obstehett einem jeden an gepurlichen orttern statt zuthun und dem nicht vorzusein sich erbieten, suchen und außtragen sich auch desselbigen ersettigen und begnugen lassen sollen. Und gepieten daruf allen und jeden churfursten, fursten, geistlichen und weltlichen prelaten, graven, freien herrn, rittern, knechten, hauptleuthen, vitzdomben, voigten, pflegern, vorwesern, ambleutten, schulthaißen, burgermaistern, richtern, rethen, burgern, gemainden und sonst allen andern unsern und des reichs underthanen und getrewen, was wirden, standts oder wesens die seindt, ernstlich und vestiglich mit diesem prieff und wollen, das sie die obbemelten rathmanne und innungmaister der alten stadt Magdeburg[b] derselben nachkommen und die iren, wie obstehet, dieser unserer kayserlichen gnad und freiheit ruehiglich und unangefochten geniessen und sie darbei gentzlich pleiben laßen und darwider nicht thun, noch des jemandts andern zuthun gestadten in

 

[fol. 45v]

kain weiß, als lieb einem jeden seie, unser und des reichs schwere ungnad und straff und dazu ain peen, nemlich hundert marck lotigs golts zuvermeiden, die ein jeder so offt ehr freuentlich hiewider thette, uns halb in unser und des reichs kammer und den andern halben teil vielbemelten rathmannen und innungsmeistern der alten stadt Magdeburg unnachleßlich zubetzalen verfallen sein solle.

Mit Urkunde ditz briefs besiegeltt mit unserm kaiserlichen anhangenden insiegele, geben in unnser stadt Wien den sechsten tag des monats Augusti nach Christi unsers lieben hern und heilandts gepurt funfftzehen hundert und im neun und sechtzigisten unserer reiche des romischen im siebendem, des hungerischen im sechsten und des behemischen im ein und zwantzigisten jaren

Maximilian

 

Vice et nomine r[everendissi]mi  d[omi]ni d[omin]ni

archicancellarii Moguntini v[idi]t Zas.

 

Ad mandatum Sacrae Caes[are]ae M[ajesta]tis proprium.

P[eter] Obernburger s[ub]s[crip]sit



[a] über die Zeile geschrieben

[b] am Rand, Einfügestelle markiert

Zitiervorschlag

Jens Kunze, Freier Handel auf der Elbe! Kaiser Maximilian bestätigt Magdeburger Privileg auf ungehinderte Elbschifffahrt, https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=609 (07.10.2024)

Erschließungsinformationen

Signatur
609
Datierung
06.08.1569
Systematik 1
02.01.01 Kaiser und Reich
Systematik 2
Wirtschaftsbeziehungen
Fundort
Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien
Signatur Fundort
Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Judicialia Antiqua 12-4a, fol. 43r-46v
Aktentitel
Hamburg und Magdeburg contra Braunschweig-Lüneburg und Lüneburg; Bitten um kaiserliche Verfügungen (Mandat, Privileg, Fürbittschreiben) in Auseinandersetzung um die freie Schiffahrt
Beschreibung
Abschrift, lose, Tinte auf Papier, Kanzleivermerke
Bemerkung
Teil einer Sammelakte.
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