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Magdeburger Spuren, Nr. 470

Bürgermeister, Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg schreiben Kurfürst Moritz von Sachsen, dass durch die Verschiffung von Getreide in Schönebeck ihr Vorrecht missachtet und der Stadt wirtschaftlicher Schaden zugefügt wird, und bitten deshalb, an den Herzog von Mecklenburg zu schreiben, dieses zu unterbinden, Magdeburg, 6. Februar 1552.

Die Quelle

Das unter der Signatur „Sächsisches Staatsarchiv, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09153/10“ im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden aufbewahrte Dokument ist Teil einer Akte mit dem Titel „Magdeburgische Handlung, Graf von Barby contra die Stadt Halle und Magdeburg, kurfürstliche Forderung bei der Stadt Halle, magdeburgische Kriegskosten, landgräfliche Kustodie [Gefangenschaft Landgraf Philipps von Hessen] und Erledigung, etliche Bedenken.“ Sie überliefert Material im Zusammenhang mit Magdeburgs Belagerung in den Jahren 1550 bis 1552.

In dieser Akte befinden sich unter anderem das vorgestellte Schreiben von Bürgermeister, Rat und Innungsmeister der Stadt Magdeburg vom 6. Februar 1552 an den Kurfürsten Moritz von Sachsen. Der Text ist mit Tinte in einer sauber ausgeführten deutschen Kurrentschrift auf Papier geschrieben. Das Schreiben des Rates ist in frühneuhochdeutscher Sprache verfasst. Er beginnt auf der Vorderseite Blatt 130r, umfasst 2 Seiten und endet auf der Rückseite 130v.

Der Hintergrund

Seit jeher waren die Magdeburger hervorragende Kaufmänner. Ihr Wohlstand resultierte auch aus dem Verschiffen von Waren – insbesondere Getreide – über die Elbe. Jahrzehnte lang hatte Magdeburg ein Monopol auf jedes vorbei kommende Korn. Dieses sowie das in der Umgebung geerntete Korn sollte in Magdeburg angeboten und musste vor der Stadt verladen werden. Doch die durch den schmalkaldischen Krieg ausgelöste Reichsacht vom 27. Juni 1547, negierte dieses Recht offiziell und erklärte die Einwohner Magdeburg vogelfrei.

Die Stapelrechte sind im Allgemeinen aus dem Niederlagsrecht an einem Handelsplatz hervorgegangen, bei welchen durchreisende Kaufleute verpflichtet wurden, ihre Ware für einen bestimmten Zeitraum niederzulegen bzw. zu stapeln und der örtlichen Bevölkerung anzubieten. Das Recht weitete sich über die Zeit auf andere Warengruppen aus und auch Händler im Umkreis mussten in die Stadt ziehen. Dadurch konnten lokale Kaufmänner die Waren übernehmen und in eigenem Namen verkaufen bzw. die Waren weiter transportieren, was beträchtliche Profite ermögliche.

Am 24. November 1309 konnte sich der Magdeburger Stadtrat für 600 Mark Silber vom Erzbischof Burkhard von Querfurt einige Privilegien festschreiben lassen, u.a.:

„5) Bürger und Fremde dürfen das Korn abgabefrei [sic!] und so lange verschiffen, als es im Lande entbehrt werden kann. Ausfuhrverbote sollen nur mit beidseitiger Zustimmung erlassen werden.

6) Die Kornverschiffung geschieht mit des Erzbischofs Willen nur in der Altstadt, weder ober- noch unterhalb derselben.“

Herzog Georg von Mecklenburg, der dieses Privileg der Stadt verletzte, wurde am 23. Februar 1528 als dritter Sohn von Albrecht VII, Herzog von Mecklenburg, geboren. Seine frühzeitige Beteiligung an der Magdeburger Belagerung begann am 13. September 1550, als er mit etwa 5.000 Infanteristen und 200 Berittenen das Magdeburger Umland angriff und plünderte. Wenig später konnte er eine Magdeburger Wagenburg vernichtend angreifen. Dieses Scharmützel forderte etwa 1.200 Opfer. Er besetzte schließlich mit seinen Truppen Schonebegk an der Elbe, welches er dauerhaft in Besitz nehmen wollte. Am 20. Dezember 1550 wurde er jedoch vor den Magdeburger Mauern angeschossen und gefangen genommen, nach Ende der Belagerung aber wieder freigelassen.

Kurfürst Moritz von Sachsen belagerte die Stadt zwar, aber es ging ihm nicht vorrangig um die Unterwerfung der Stadt, er brauchte vielmehr Zeit und ein Alibi, um einen protestantischen Fürstenaufstand gegen den katholischen Kaiser vorzubereiten. Er verhandelte alsbald die Kapitulation mit der Stadt Magdeburg und konnte die Forderungen des Kaisers reduzieren. Gleichzeitig trat er jedoch in Geheimverhandlungen mit der Stadt Magdeburg, die sich unter seine Stadtherrschaft stellen sollte, dafür aber alle ihre Privilegien zurückbekommen sollte. Der Geheimvertrag wurde am 31. Dezember 1551 beschlossen und die Magdeburger Söldner verbündeten sich mit ihren einstigen Feinden, um schon im Frühjahr darauf gegen den Kaiser zu ziehen. Der Streit wurde mit dem Passauer Vertrag im August 1552 niedergelegt.

Magdeburg spielt im restlichen Leben von Moritz keine gesonderte Rolle mehr, außer dass er Zahlungen verlangte: Geld, welches die Stadt nur selten aufbringen konnte, auch weil Handelsprivilegien mit dem wichtigen Handelsgut Getreide häufig gebrochen wurden, unter anderem durch den eigentlichen Verbündeten Herzog Georg von Mecklenburg.

Das Schreiben Magdeburgs

Der Bürgermeister, Rat und Innungsmeister befürchteten in ihrem Schreiben an den Kurfürsten den Verlust ihrer Vorrechte im Getreidehandel. Sie vermelden, dass Getreides des Umlandes aufgekauft wird, um es in Schönebeck eynzuschiffen und von danne zu vorführen. Die Beschwerde, dass die Altstadt Magdeburg bei dem Handel und der Verschiffung nicht umgangen werden durfte, war laut ertzbischofflicher vorschreybunge nicht unbegründet. Das Recht, dass die kornschiffunge […] nirgendts im stifte dan alleyne alhie vor der Altenstadt Magdeburg zu geschehen hatte, war auf das Stapelrecht der Stadt Magdeburg von 1309 zurückzuführen.[1] Man befürchtete nicht nur finanzielle Einbuße für Händler und Stadt, sondern darüber hinaus geriet die Möglichkeit in Gefahr, dass sich ein Großteil der Stadtbevölkerung mit preisgünstigem Getreide versorgen konnte. Es war also geradezu ein abebruch ihrer nahrunge. Gemeint ist damit „nicht nur die Ernährung, sondern den gesamten 'Unterhalt' des Menschen“[2], also auch Bekleidung, Unterkunft, Arbeitsplatz, Auskommen für ganze Haushalte. Deshalb bat man den sächsischen Kurfürsten, dem Herzog von Mecklenburg zu schreiben, dass angezeigts orts das kornschiffen nicht gestatett, sondern muge vorpleyben und wyr an unser anher gebrachten gerechttigkeit nicht vorkürtzett werdenn.



[1] Vgl. Puhle, Matthias, Magdeburg im Mittelalter. Der Weg von der Pfalz Otto des Großen bis zu Hansestadt um 1500, Halle 2005, S. 91ff.

[2] Göttmann, Frank, Getreide, in: Jaeger, Prof. Dr. Friedrich: Enzyklopädie der Neuzeit. Band 8. Manufaktur – Naturgeschichte; Stuttgart/ Weimar 2008, Sp. 1035.

Bedeutung der Quelle

Das Schreiben wirft ein Schlaglicht auf eines der wichtigsten Privilegien der Stadt Magdeburg: auf das Stapelrecht für Getreide. In der Reichsacht allerdings verlor das Stapelrecht der Stadt seinen Wert und es war noch schwieriger durchzusetzen als sonst. Die Einkünfte durch die Verschiffung des Getreides vor der Altstadt waren gefährdet.

Der Magdeburger Rat musste sich daraufhin mächtige Verbündete suchen, die halfen, die Interessen der Stadt durchzusetzen. Der Rat versuchte das durch Bitten an ihren neuen Stadtherren, den Kurfürsten Moritz von Sachsen. Das vorgestellte Schreiben zeigt, wie die Stadt nach Ende der Belagerung um die Wiederherstellung seiner Privilegien kämpfte, um bald wieder ihre alte wirtschaftliche Stärke wiederzuerlangen.

Weiterführende Literatur:

-          Zum Getreide: Göttmann, Frank: Getreide, in: Jaeger, Prof. Dr. Friedrich: Enzyklopädie der Neuzeit. Band 4. Friede – Gutsherrschaft; Stuttgart/ Weimar 2006, Sp. 779-787.

-          Zum Stapelrecht: Gönnenwein, Otto: Das Stapel- und Niederlagsrecht, Weimar 1939.

-          Zur Belagerung Magdeburgs: Hertel, G./ F. Hülße: Friedr. Wilh. Hoffmann's Geschichte der Stadt Magdeburg, Band I; Magdeburg 1885, 526-566.

-          Zu Kurfürst Moritz von Sachen:Winter, Christian: Moritz von Sachsen und Magdeburg, In: Ballerstedt, Maren/ Köster, Gabriele/ Poenicke, Cornelia (Hg.): Magdeburg und die Reformation. Eine Stadt folgt Martin Luther; Halle (Saale) 2017, S. 375-402.

-          Zu Herzog Georg von Mecklenburg: Sellmer, Lutz: Georg von Mecklenburg, in: Pettke, Sabine (HG.): Biographisches Lexikon für Mecklenburg. Band 1; Rostock 1995, S. 97-99.

Transkription

[fol. 130r]

Durchleuchtigster hochgeborner churfürst, euern churf[ürstlichen] g[naden] sein unser undterthenige willige dienste zuvor. Gnedigster churfürst und herr, euern churf[ürstlichen] g[naden] konnen wyr in underthenigkeitt nicht beugen, dar von etzlichen alhier das korn in diesen stifften auffgekaufft wirth die in fuerhaben seyn sollen, dasselbige zu Schonebegk an der Elbe gelegen, eynzuschiffen und von danne zu vorführen. Als aber die kornschiffunge lauts ertzbischofflicher vorschreybunge nirgents im stiffte dan alleyne alhie vor der Altenstadt Magdeburgk geschehen soll, do nuhn zu Schonebegk die schiffunge solthe gestatett, alsodan wyder berurte unser befreyhunge gehandelth, welche dan alhie gemeyner stadt nicht zu geringem abebruch ihrer nahrunge, sondern auch enthlich zu vorderbe gereichen wurde, herwegen e[uern] churf[ürstlichen] g[naden] wyr in undterthenigkeytt gantz dienstlich bitten, euer churf[ürstlichen] g[naden] wollen an den durchleuchten hochgeborn fürsten und hern, hern

 

[fol. 130v]

Georgen hertzogen zu Merkelnburgk [etc.][1] gnedigst schreyben, damith angezeigts orts das kornschiffen nicht gestatett, sondern muge vorpleyben und wyr an unser anher gebrachten gerechttigkeit nicht vorkürtzett werdenn. Euer churf[ürstliche] g[naden] wollen sich hieinne zu erhaltunge berürter unser freyheit und gerechtigkeit unserm ungezweyfeltem zuvorsichte nach gnedigst erzeigenn, das umb dieselbe wollen wyr in undtertheniger gehorsamheitt allezeitt willigk und gerne vordynenn. Datum unter unsernn stadt secreth, sonnabents Dorothea virginis anno 1552.

 

e[uer] churf[ürstlichen] g[naden] unterthenige willige

radtmann und innungssmeister der Altenstadt Magdeburgk

 



[1] Seitenabbruch, nicht eindeutig lesbar

Zitiervorschlag

Erik Förster, Handelsprivileg in Gefahr! Magdeburg verteidigt sein altes Recht (1552), https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=470 (26.04.2024)

Erschließungsinformationen

Signatur
470
Datierung
06.02.1552
Systematik 1
02.01.04 Fürsten
Systematik 2
Diplomatie
Fundort
Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden
Signatur Fundort
Sächsisches Staatsarchiv, 10024 Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 09153/10, fol. 130r-130v
Aktentitel
Magdeburgische Handlung, Graf von Barby contra die Stadt Halle und Magdeburg, kurfürstliche Forderung bei der Stadt Halle, magdeburgische Kriegskosten, landgräfliche Kustodie [Gefangenschaft Landgraf Philipps von Hessen] und Erledigung, etliche Bedenken
Beschreibung
Original, dt., Tinte auf Papier, angekündigtes Sekretsiegel fehlt.
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