Magdeburger Spuren, Nr. 59
Der Rat der Stadt Magdeburg schickt dem Rat der Stadt Braunschweig vorallem Riga betreffende Dokumente, Magdeburg, 1. Februar 1542.
Die Quelle
Das Schriftstück ist Teil einer Aktenserie mit dem Titel „Correspondens mit Riga, Magdeburg auch dem Churfürsten von Brandenburg“ und liegt im Stadtarchiv zu Braunschweig. Es ist datiert auf den 1. Februar 1542. Die Akte und der darin befindliche Brief tragen die Signatur B III 4: 36, fol. 75r-f.
Es handelt sich um eine Handschrift auf Papier im Folioformat. Geschrieben wurde mit Schwarzer Tinte. Der Text ist linksbündig und klar strukturiert. Der Text ist weitgehend ohne Absätze geschrieben worden. Ein einziger Satzanfang In der Mitte der 11. Zeile ist deutlich abgesetzt. Die Unterschriftsformel der Ratsherren von Magdeburg ist durch einen klaren Absatz getrennt. Zwei kurze parallele von links unten nach rechts oben gezogene Striche markieren Worttrennungen bei Zeilenumbrüchen. Auf der Rückseite befindet sich die Adressierung an die Räte von Braunschweig. Ein durch Braunschweiger Registratoren zeitgenössisch hinzugefügter Vermerk wurde mit ehemals schwarzer, jetzt stark ausgeblichener Tinte ergänzt. Der Papierbogen ist in einigermaßen gutem Zustand. Die Ursprüngliche Faltung des Schriftstückes ist in Form von je zwei horizontal und zwei vertikal verlaufenden Faltkanten erkennbar. Die teilweise durch den Brieftext verlaufende Falten erschweren die Lesbarkeit einiger Buchstaben. Es finden sich keine Spuren von Schimmel oder Tierfraß. Ein mutmaßlicher Fettfleck auf der linken Seite könnte auf die einstige Positionierung eines Siegels hindeuten.
Der Brief ist Mittelniederdeutsch abgefasst. Bei der Schrift handelt es sich um eine gotische Kurrente des 16. Jahrhunderts. Die Ausführung entspricht weitgehend der für diese Zeit typischen.
Der Hintergrund
Schon früh in der Geschichte städtischer Entwicklung im sächsischen Raum und wachsender städtischer Kaufmannstätigkeit wurde Magdeburg ebenso wie Stadt Braunschweig als unter den sächsischen Städten herausragend betrachtet. In den Bündnissen sächsischer Städte kristallisierte sich spätestens im 15. Jahrhundert eine gemeinsame Führungsrolle der beiden Städte heraus. Dies zeigte sich insbesondere innerhalb der Hanse, wo sie als Hauptstädte des sächsischen Bereiches etwa den Vorentscheid über die Besendung von Hansetagen durch die sächsischen Städte erhielten und oftmals für die umliegenden Städte sprachen. Dadurch sowie durch die Verflechtung des Handels in beiden Städten ist eine häufige Zusammenarbeit Braunschweigs und Magdeburgs feststellbar.
Die in Livland gelegene Hansestadt Riga wandte sich vermutlich auf dem Lübecker Hansetag von 1535 an die Ratssendboten der beiden sächsischen Hauptstädte. Das Anliegen des Stadtrates von Riga, der sich und die bereits früh eingeführte Reformation gegen die beiden Stadtherren den Erzbischof einerseits und den livländischen Zweig des Deutschordens andererseits behaupten musste, war die Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund. Eine „Fürderung“ durch bereits etablierte Bündnismitglieder war essenzieller Teil des Aufnahmeverfahrens. Zuvor hatten die Rigaer sich um die Unterstützung Lübecks bemüht, doch die führende Hansestadt war durch ihre politischen Interessen im Ostseeraum auf Distanz zum Schmalkaldischen Bund gegangen.
Die Kontaktaufnahme mit Magdeburg und Braunschweig war aufgrund der bereits existierenden Hansebeziehungen und der besonderen Rolle insbesondere Magdeburgs innerhalb des Bündnisses naheliegend. Der Magdeburger Rat hatte sich früh um Bündnisbeziehungen zu den evangelischen Ständen bemüht und so war Magdeburg neben Bremen eine von zwei Städten, die sich bereits dem Torgauer Bund, dem Vorgängerbund des Schmalkaldischen angeschlossen hatte. Später war die Stadt Gründungsmitglied des Schmalkaldischen Bundes, während etwa Braunschweig oder auch Lübeck erst kurz darauf dazugewonnen wurden. Magdeburg erhielt zudem wiederum gemeinsam mit der Stadt Braunschweig Stimmrecht bei Beschlüssen des Bundes und stellte später den Kriegsrat der sächsischen Städte innerhalb des Bundes.
Die Rolle Magdeburgs im Schmalkaldischen Bund unterstützte deren Bestrebungen, sich als Reichsstadt zu geben. Die Bemühungen um die Aufnahme Rigas, die bis 1542 nachweisbar sind, führten zwar offiziell Braunschweig und Magdeburg gemeinsam, doch waren die Magdeburger dabei bemüht, die Führung zu übernehmen.
Das Schreiben Magdeburgs
Das Schreiben des Magdeburger Rates an den Braunschweiger Rat vom 1. Februar 1542 steht am Ende der heute noch nachweisbaren Bemühungen Magdeburgs um die Aufnahme Rigas in den Schmalkaldischen Bund. Dem Schreiben lagen ursprünglich ein in der Sache an den Rat von Riga gerichtetes Begleitschreiben (siehe Spur Nr. 60) sowie weitere Dokumente bei, die an Riga gerichtet waren, sowie Kopien ebendieser Dokumente für Braunschweig.
Zunächst beschreibt der Rat die verschiedenen Dokumente, die die Braunschweiger wie verabredet gen Riga mit einem Boten senden sollten. Besonders ins Auge fällt dabei ein gesiegelter Vertrag über die Aufnahme Rigas („de vorsegelde vorschrivunge der innehmunge der von Riga“). Diesen sollte der Rat von Riga erhalten und den Empfang durch die Gegenzeichnung eines ebenfalls als Entwurf mitgeschickten Reverses bestätigen. Hierbei könnte es sich um die offizielle Aufnahmeurkunde für Riga gehandelt haben, die am 6. November 1541 in Torgau ausgefertigt worden sein soll.[1]
Von der Entwurfsfassung des Reverses sollten die Braunschweiger eine Kopie behalten, um diese mit dem von den Rigaern zu erwartenden gesiegelten Original abgleichen zu können. Schließlich wird auch ein Brief des sächsischen Kurfürsten Johann Friedrich erwähnt, der nach Ansicht des Magdeburger Rates an den Rigaer Rat mitgeschickt werden muss.
Weiterhin beschreibt das Schreiben detailliert, wie sich nach Vorschlag der Magdeburger der Bote zu äußern habe, wenn er die Schreiben überbringt. In den durch evangelische Fürsten beherrschten Gebieten in Preußen und Pommern soll er auf die kurfürstlich sächsischen Briefe verweisen, innerhalb Livlands jedoch genauere Angaben aus Sicherheitsgründen vermeiden.
Schließlich bitten die Magdeburger den Braunschweiger Rat, dem im Namen beider Städte verfassten Begleitschreiben zuzustimmen und dieses dem Boten mitzugeben.
[1] Vgl. L. Arbusow: Grundriß der Geschichte Liv-, Est- und Kurlands, 3. veränderte Auflage, Riga 1908, S. 144.
Die Bedeutung der Quelle
Obwohl das vorliegende Dokument vor allem technische Details der innerhansischen Diplomatie erörtert, kommt ihm im Kontext der Bemühungen Magdeburgs im Schmalkaldischen Bund Bedeutung zu. Das Schreiben stellt im Rahmen des Schriftverkehrs zwischen den Städten Magdeburg, Braunschweig und Riga (siehe Magdeburger Spuren Nr. 57–60) gemeinsam mit der Spur Nr. 60 das Ende der für uns fassbaren Bemühungen um die Aufnahme Rigas in den Schmalkaldischen Bund dar.
In der Forschung ist bislang nicht abschließend geklärt, ob Riga förmlich in den Bund aufgenommen wurde. Während Haug-Moritz daran Zweifel anmeldet,[1] erwähnt die ältere Arbeit von Arbusow eine Aufnahmeurkunde, die am 6. November 1541 in Torgau ausgefertigt worden sein soll. Die im vorliegenden Schreiben vom Februar 1542 erwähnte diplomatische Mission zur Übergabe eines besiegelten Vertrages an Riga stützt diese Darstellung und unterstreicht die Relevanz Magdeburgs und Braunschweigs für die Bündnispolitik im Baltikum.
Die Rolle Johann Friedrichs als Bundesfürst im Schmalkaldischen Bundes im Aufnahmeprozess Rigas wird durch das Beilegen eines Schreibens des Kurfürsten ebenfalls verdeutlicht. Wenige Monate darauf brach mit dem durch Johann Friedrich betriebenen Feldzug gegen den Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel eine neue Phase für den Schmalkaldischen Bund an.
[1] Gabriele Haug-Moritz: Der Schmalkaldische Bund 1530-1541/42. Eine Studie zu den genossenschaftlichen Strukturelementen der politischen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 44), Leinfelden-Echterdingen 2002, S. 163.
Weiterführende Literatur
- Haug-Moritz, Gabriele: Der Schmalkaldische Bund 1530-1541/42. Eine Studie zu den genossenschaftlichen Strukturelementen der politischen Ordnung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 44), Leinfelden-Echterdingen 2002.
- Flügel, Wolfgang: Zwei feste Burgen des Protestantismus. Der Schmalkaldische Bund und Magdeburg, in: Ballerstedt, Maren, Köster, Gabriele und Poenicke, Cornelia (Hg.): Magdeburg und die Reformation. Eine Stadt folgt Martin Luther, in: Magdeburger Schriften 7. Halle 2016.
- Wernicke, Horst: Die sächsischen Städte in der Hanse, in: Puhle, Matthias (Hg.): Hanse-Städte-Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser. Magdeburg 1996.
- Puhle, Matthias: Der Sächsische Städtebund. Entstehung und Wirkung, in: Puhle Mathias (Hg.): Hanse-Städte-Bünde. Die sächsischen Städte zwischen Elbe und Weser. Magdeburg 1996.
- Puhle, Matthias: Die Politik der Stadt Braunschweig innerhalb des Sächsischen Städtebundes und der Hanse im späten Mittelalter, in: Braunschweiger Werkstücke 63. Braunschweig 1985.
Transkription
[fol. 75r]
Unsenn frunthlikenn dinst thovern. Ersamen wolwisenn hern unnd bsundern gunstigen guden frunde.
< …>Nachdem i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] an uns geschrevenn und angeregt, die Rigissche sake durch iwenn geschworenn vortruedenn boden thobestellenn den gen Riga auethoferdigen, ßo wollenn wy dath darby lathenn unnd senden i[hren] e[hrwürdigen] w[eisen] de vorsegelde vorschrivunge der innehmunge der von Riga unnd ock de notell des reversals, dath de rath der stadt tho Ryga jegen enthpfangunge der versegelden verschrivunge also balde dem boden wedder vorsegelth averanthworden schall. I[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] werden eyne copie von [d]er[4] notell des reversals by sick beholdenn, alßdann wen de bode wedder kumpt tho ersehenn dath der von Riga vorsegelte reversall der gestalten notell ehres gantzenn inholdes gligkmetich. Unnd wehre ock woll guth dath eyne copie der vorschrivunge beholdenn wurde.
Wy schigken ock i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] des Churfürsten briff, den synn Churf[ürstliche] g[naden] an uns semptliken geschreven, den men unses erachtens muth mede an de von Riga schigken. I[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] werdenn iwenn boden woll alles, wu he sick up dem wege unnd ock in der stadt tho Riga holden schall, befehlenn. Men kunde ohme ock woll befehlen, wo he im lande tho Pomernn odder ock in Prutzen in des herthogenn von Prutzen lande angesprokenn wurde, tho seggenn, dath he vom Churf[ürstlichen] g[naden] tho Sassenn breve hedde. Aver in Lyflandt mochte he sust woll eynn gescheffte antzeigenn. Will men ock mith dusser beschigkunge beth up Osternn verthohenn, unnd duth sehewarts durch ohrenn factor tho Lubegk, bestellen lathen. Dath willenn wy tho i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] gefallen gestelth hobbenn. Unnd schigkenn i[hren] e[hrwürdigen] w[eisen] ock den briff, den wy in unsern und iwern nahmen an den rath von Ryga geschrevenn und vor uns vorsegelth sampt der copie des inholdes. Wu nu de inholt i[hren] e[hrwürdigen] w[eisen] ßomede gefallen werdet, ßo kann men den sulvenn unsen samptbriff ßo gahn lathen. Und synth i[hre] e[hrwürdigen] w[eisen] frunthlikenn tho dynen willich.
Dat[um] under unser Stadt secreth middewekens vigilia Purificationis Marie gloriosissime virginis. anno 1542
Rathmann und inningsmeister der oldenstadt Magdeborch
[fol. 75v]
Denn ersamenn wolwisen hern burgermeisternn und rathmannen der stadt Brunschwigk unsenn bsundern gunstigen gudenn frundenn