Was geschah 1631?

Im Dreißigjährigen Krieg wurde Magdeburg für die kaiserlichen Truppen zu einem strategischen Ziel von besonderer Symbolkraft. Die Eroberung der Stadt durch General Tilly am 10. (20.) Mai 1631 kam einer Apokalypse gleich. In den Gräueln der „Magdeburger Bluthochzeit“ fand der größere Teil der Einwohnerschaft den Tod. Auch wer überlebte, erlitt Gewalt oder wurde als Geisel verschleppt. Noch zehn Jahre nach der Zerstörung betrug der Bevölkerungsverlust mehr als 90 %. Magdeburgs Stellung als urbanes Zentrum im Osten des Reiches wurde für alle Zeiten gebrochen.

Noch während der Kämpfe brach ein verheerender Stadtbrand aus. Dem Feuer fielen nicht nur die Menschen, Häuser, Paläste und Kirchen der Stadt zum Opfer. Im Rathaus fraßen die Flammen auch die jahrhundertealten Zeugnisse Magdeburger Schriftkultur. Aus der älteren kommunalen Überlieferung beginnend mit den Diplomen ottonischer Kaiser, die im Ratsarchiv verwahrt wurden, blieb kein einziges Zeugnis erhalten. Vollständig verloren gingen auch die Spruchakten des Magdeburger Schöffenstuhls, so dass dieser zum Niedergang verdammt war.

Welche Dimension dieser Verlust von Kulturgut hatte, lässt sich über eine Annäherung anschaulich machen: Das Archiv der Schwesterstadt Braunschweig, in vielerlei Hinsicht mit Magdeburg vergleichbar, weist heute mehr als 2.000 Urkunden, etwa 5.000 Amtsbücher und mehr als 2.000 Akten aus der Zeit vor dem Stichjahr 1631 auf. Ein Archiv dieser Größenordnung dürfte auch in Magdeburg vorhanden gewesen sein.

Die Magdeburger Verluste sind nicht nur vom Umfang her erheblich. Entscheidend ist vor allem der frühe Zeitpunkt, lange bevor die historische Forschung die Chance hatte, das Archiv zu benutzen. Heute vermag das Magdeburger Stadtarchiv daher seine Funktion als Gedächtnis der Stadtgeschichte kaum noch zu erfüllen. Dies gilt gerade für Magdeburgs Glanzzeit als Drehscheibe zwischen Ost und West im europäischen Transfer von Waren, Recht und Kultur.