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Magdeburger Spuren, Nr. 1604

Magdeburger Schöffenspruch für Georg Creuziger (Creuther), Bürger zu Leipzig, zur Gültigkeit einer Bürgschaft, die er 1528 für seinen Schwiegersohn Hieronymus Drachstedt gegenüber Erasmus Schetz in Antwerpen übernommen hatte, 1529/1531.

Beschreibung der Quelle

Der Magdeburger Schöffenspruch bildet das abschließende Dokument in der Titelakte LXII R. 1f, die im Bestand Ratsstube (0008) des Stadtarchivs Leipzig verwahrt wird und die juristischen Auseinandersetzungen zwischen Johann Randrodt, dessen Gesellschaftern und Georg Creutziger enthält. Letzterer, ein Leipziger Bürger, wird auf Bl. 64r als Adressat des Schreibens angegeben.

Das einseitige, im Querformat überlieferte Gutachten enthält die regelmäßigen Eingangs- und Schlussformeln eines Magdeburger Schöffenspruchs: Sprechenn wyr Scheppenn zcu Magdeburg […] vor recht und Vonn rechtßwege[n]. Vorßiegelt mit unserm ingeßiegel. Das Papierwachssiegel des Schöffenstuhls, das Christus als Weltenrichter zeigt, diente wohl dem Verschluss des Dokuments und umschließt heute zu je einem Teil Innen- und Außenseite der Rechtsmitteilung.

Der deutschsprachige, mit Tinte in Kurrentschrift abgefasste Schöffenspruch ist selbst undatiert, da er aber auf ein vorangegangenes achtundzwanzigstes Jahr Bezug nimmt, dürfte er aus dem Zeitraum zwischen 1529 und der mit 1531 angegebenen Aktenlaufzeit datieren.

Historischer Kontext

Der Leipziger Stadtbrief 1160/70 unterstellte die Stadt dem Halle-Magdeburger Recht, das durch die Gutachtertätigkeit des Magdeburger Schöffenstuhls ab dem 13. Jahrhundert weit nach Mittel- und Osteuropa ausstrahlte und dem deshalb eine überregionale Bedeutung zukommt. Mit der durch Karl V. über Magdeburg verhängten Reichsacht ging 1549 der Verlust des Schöffenstuhls einher. Die Wiedererlangung des Rechtsorgans erfolgte 1554 gegen eine Geldzahlung. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Zerstörung Magdeburgs kam es nicht zur erneuten Einrichtung des Schöffenstuhls, der Einfluss des Magdeburger Rechts bestand jedoch weiter.

Die Schöffenstühle stellten zentrale Bestandteile der mittelalterlichen Stadtverfassungen dar. Sie arbeiteten getrennt von den Stadtgerichten und waren anfangs nicht mit gelehrten Juristen besetzt. Auf Anfrage von Gerichten, Privatpersonen oder öffentlichen Institutionen erteilten sie gegen ein Entgelt Rechtsauskünfte. Erst mit der Rezeption fremder Rechte und der Konkurrenz zu den ab 1400 gegründeten Juristischen Fakultäten der Universitäten erfolgte eine Professionalisierung der Schöffenstühle. Während es in Magdeburg zur Trennung von Rats- und Schöffengremium kam, waren beide Institutionen in Leipzig eng miteinander verwoben.

Im Spätmittelalter erfolgten Bemühungen von Seiten der Landesherren, die Rechtsauskunftstätigkeit der Schöffenstühle auf die eigenen Territorien zu begrenzen. So erließ man im sächsischen Herrschaftsgebiet im November 1432 ein Verbot an die Untertanen, Rechtsbelehrungen aus Magdeburg einzuholen. Stattdessen sollten beispielsweise der Leipziger Schöffenstuhl und die dortige Juristische Fakultät der Universität als mögliche Auskunftsstellen im eigenen Territorium dienen. Dadurch erfuhren diese landesherrlichen Spruchkollegien eine Aufwertung. Die Gründung eines Oberhofgerichts (1483/88) unterstrich erneut Leipzigs Stellung als Ort der Rechtsprechung innerhalb der wettinischen Herrschaftsräume. 1574 wurde der Leipziger Schöffenstuhl schließlich aus der städtischen Zuständigkeit herausgelöst und war fortan als landesherrliches Gericht zuständig für das gesamte Kurfürstentum und spätere Königreich Sachsen.

Aussage und Bedeutung der Quelle

Der Leipziger Bürger Georg Creutziger hatte 1528 für seinen Schwiegersohn Hieronymus Drachstedt, den Ehemann seiner Tochter Magdalena, eine Bürgschaft gegenüber dem Kaufmann Erasmus Schetz aus Antwerpen („Antorff“) übernommen. Nach Begleichung dieser Schuld hatte Drachstedt sich jedoch ohne das Wissen Creutzigers auf einen weiteren Handel mit den Gläubigern aus Flandern eingelassen. Dieser bat die Magdeburger Schöffen deshalb um eine Begutachtung der Sachlage, ob er erneut haftbar gemacht werden könne. Laut den Magdeburger Schöffen bestünde in diesem Fall jedoch keine Haftungspflicht.

Ein grundsätzlicher Wert des Schöffenspruchs liegt in dessen Überlieferung, da die Unterlagen des Magdeburger Schöffenstuhls während der Eroberung und Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg 1631 zusammen mit dem Stadtarchiv vernichtet wurden.

Trotz erlassener Verbote hatte der Leipziger Bürger sich angesichts eines Rechtsstreits zur Urteilsfindung hilfesuchend an Magdeburg gewandt, was dessen Rolle als Berufungsinstanz für auswärtige Städte bzw. Privatpersonen innerhalb des Magdeburger Rechtsbereichs noch im 16. Jahrhundert belegt - einer Zeit, indem der Wirkungskreis des Magdeburger Schöffenstuhls nach der Hochphase der überregionalen Spruch- und Gutachtertätigkeit in den zwei Jahrhunderten zuvor aufgrund verschiedener, im Abschnitt zum historischen Kontext bereits angerissener Faktoren allgemein als rückläufig betrachtet wird.

Weiterführende Literatur

Gönczi, Katalin, Der Wirkungskreis des Magdeburger Schöffenstuhls im Zeitalter der Reformation und der Rezeption des Römischen Rechts, in: Ballerstedt, Maren/Köster, Gabriele/Poenicke, Cornelia (Hg.), Magdeburg und die Reformation, Teil 1: Eine Stadt folgt Martin Luther (Magdeburger Schriften 7), Halle/Salle 2016, S. 261-277.

Kern, Bernd-Rüdiger, Rechtspflege, in: Geschichte der Stadt Leipzig, Band 1: Von den Anfängen bis zur Reformation, hg. von Enno Bünz, unter Mitwirkung von Uwe John, Leipzig 2015, S. 213-221.

Köster, Gabriele/Link, Christina/Lück, Heiner (Hg.), Kulturelle Vernetzung in Europa. Das Magdeburger Recht und seine Städte. Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung „Faszination Stadt“, Dresden 2018.

Köster, Gabriele/Link, Christina (Hg.), Faszination Stadt. Die Urbanisierung Europas im Mittelalter und das Magdeburger Recht, Dresden 2019.

Transkription

Scheppenn zcu Magdeburgk

Unnsernn freunthlichenn grus zcuvor. Ersamer beßunder gutter freundth. Szo yhr uns eyner burgeschafft halber, dye yhr im vorgangenn achtundtzwentzcigistenn jare gegenn Eraßmus Schetz unnd Vetter zcu Antorff vor Jeronimus Drachstehdt euernn aydenn benebenn Magdalenenn, seyner ehelichenn hausfrauenn, euerer tochter, nach beßage dyeßer hyrbeygelegtenn copienn gethann geschriebenn unnd gebedthenn hapt, euch daruber des rechtenn zcubelernenn [etc.]. Sprechenn wyr scheppenn zcu Magdeburg uff dieselbigenn schriffte unnd ursachenn, darynne angetzceigt vor recht. Ap yhr woll vor die schulde ßo obgedachter euer aydenn gemelte[n] seynem gleubiger anno im achtundtzwantzigistenn, nach außweyßunge der schulthbrieve, deßmals annheyschig gewordenn, als selbschuldiger burge gewordenn. Wenn dennoch Jeronimus Drachstedt dieselbige schult ßo zcur zceit euerer gethane vorpflichtunge gemacht, dem gleubiger gentzlich betzalt, unnd abgelegt, unnd ßich hernachmals mit yhme inn weytter hendell, mehr dann eyns eyngelaßenn, auch mit yhme ane euernn wyßenn, wyllenn, volbordth ader furder obligationn schulde gemacht, bezalt, unnd neue vorschreybunge auffgericht. Szo konde auch dieselbige novationn voreynigunge unnd conventionn, die euer aydenn euch hinderrucke, mit ßeynenn gleubigernn, uffs neue bewylgt, beschloßenn unnd ingegangenn, euer personn inn dyesem falle nicht vorbynthlich machenn. Also das yhr uber die erste gethane burgeschafft vor die andernn gemacht[e]n schulde aus gehorttenn ursachenn, der novationn weytter zcuhafftenn nicht pflichtig. Vonn rechtßwege[n].

Vorßiegelt mit unserm ingeßiegel.

Zitiervorschlag

Luisa Rühlmann, Schwindender Wirkungskreis? Ein Magdeburger Schöffenspruch des 16. Jahrhunderts für Leipzig (1529/31), https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=1604 (13.10.2025)

Erschließungsinformationen

Signatur
1604
Datierung
01.01.1529 - 31.12.1531
Systematik 1
03 Schöffenstuhl
Systematik 2
Juristische Angelegenheiten
Fundort
Stadtarchiv Leipzig
Signatur Fundort
Stadtarchiv Leipzig, 0008 (Ratsstube), Tit. LXII R. 1f, Bl. 64r-64v.
Umfang
2 Seiten
Aktentitel
Acten betr. Johann Randrodt u. Genossen gegen Georg Creuziger. 1531. (Ent. ein Madgeburger Schöffenurteil.)
Beschreibung
handgeschrieben, Tinte auf Papier, deutsch, Papierwachssiegel
URN
rn:nbn:de:gbv:ma26-2504070654554.390042863239
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