Magdeburger Spuren, Nr. 789
Kurfürst Johann von Sachsen erlaubt, dass Jacob Rode aus Magdeburg, Lehnsinhaber des an die Stadt Magdeburg verpfändeten Schlosses Gommern, 500 Gulden in Baumaßnahmen investieren darf und dass dieser Betrag der Pfandsumme, die bei Auslösung des Pfandes zu bezahlen ist, hinzugerechnet wird, Torgau, 7. April 1528.
Die Quelle
Die Urkunde wird im Hauptstaatsarchiv Weimar im Bestand des Ernestinischen Gesamtarchivs (EGA) aufbewahrt. Sie trägt dort die Nummer 910. Es handelt sich um eine Pergamenturkunde. Der untere Teil des Blattes ist umgeschlagen, so dass sich eine Plica bildet. Daran ist ein Pergamentstreifen befestigt, an dem ehemals das Wachssiegel des Kurfürsten Johann von Sachsen hing. Die Schrift wurde in brauner Tinte und gleichmäßiger Handschrift aufgetragen. Für die Ausfertigung war die Torgauer Kanzlei des Kurfürsten zuständig.
Auf der Rückseite ist die Urkunde an drei Stellen mit Papierstreifen geklebt. Die Einschnitte, die vom Papier überdeckt werden, wurden vermutlich angebracht, um die Urkunde zu entwerten, nachdem der Geldbetrag an die Stadt Magdeburg ausgezahlt worden war. Bei dieser Entwertung ist wohl auch das Siegel entfernt worden. Diese Spuren legen nahe, dass die Urkunde als Empfängerausfertigung an Jacob Rode übergeben, nach Rückzahlung der Pfandsumme 1539 aber wieder der kurfürstlichen Kanzlei ausgehändigt wurde.
Der Rückvermerk ist vermutlich erst nach 1539 von der kurfürstlichen Kanzlei aufgebracht worden. Es handelt sich um eine kurze Inhaltsangabe. Dabei hat der Schreiber aber die Sachverhalte verwechselt. Die Urkunde erlaubt es, 500 Gulden zu verbauen, nicht 300 Gulden, wie vermerkt ist. Anfangs hat der Schreiber wohl „900“ notieren wollen, hat dann aber die bereits geschriebene 9 gelöscht.
Der Hintergrund
Gommern liegt in der Elbeniederung südöstlich von Magdeburg. Die Burg Gommern – die Urkunde verwendet den Begriff „Haus“ – war der Herrschaftssitz eines Gebietes überwiegend rechts der Elbe (nur Glinde liegt links der Elbe), das als Enklave im Erzstift Magdeburg lag und herrschaftlich zum Kurfürstentum Sachsen gehörte. Allerdings hatte Kurfürst Albrecht III. von Sachsen-Wittenberg das später so bezeichnete Amt Gommern für eine immense Geldsumme an die Altstadt Magdeburg verpfändet. Damit beherrschte Magdeburg ein eigenes Territorium nahe der Stadt. Die Pfandherrschaft Gommern hätte zum Ausgangspunkt für ein Magdeburger Landgebiet werden können, wie dies für Erfurt oder Nürnburg bekannt ist. Doch dazu kam es nicht, da die Kurfürsten von Sachsen dieses Pfand wieder einlösten.
Als die kurfürstlich sächsische Kanzlei in Torgau diese Urkunde schrieb, war mit einer baldigen Auslösung noch nicht gerechnet worden. Denn Jacob Rode, Inhaber der Herrschaft Gommern, investierte in den Ausbau des Schlosses, welches vermutlich seit der Verpfändung 1419 nicht mehr modernisiert worden und daher sehr baufällig war. Jacob Rode gehörte der Magdeburger Patrizierfamilie Rode (auch: Rohde) an, die erstmals 1418 im Rat vertreten war und bis 1559 fast durchgehend dem Magdeburger Rat angehörte. Sie stellte 37-mal den Bürgermeister und 38-mal den Kämmerer und war damit in jenen Jahren die einflussreichste Familie nach den Alemanns. Da keine Genealogie der Familie Rode vorliegt, lässt sich Jacob Rode nicht genauer einordnen. Er war 1524 Kämmerer sowie 1525, 1528, 1531, 1534, 1537 und 1540 2. Bürgermeister und starb vermutlich vor 1543. 1524 kaufte er von der Stadt Magdeburg die Pfandherrschaft Gommern. Damit folgte er den Brüdern Friedrich und Moritz Alemann nach, die 1519 Gommern übernommen hatten. Rode übernahm den Grundbesitz in Rechtsform des Wiederkaufs, was bedeutete, dass der Rat die Herrschaft unter bestimmten Umständen wieder zurückkaufen konnte.
Jacob Rode plante einen zeitgemäßen Ausbau des Schlosses, stand aber vor der Frage, was mit den investierten Mitteln bei Auslösung des Pfandes werde. Schon am 23. Dezember 1524 bat er Kurfürst Friedrich den Weisen, einem Ausbau des Schlosses zuzustimmen und zu genehmigen, dass das investierte Geld auf die Pfandsumme aufgeschlagen wird (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 926). Dann starb Friedrich der Weise, und sein Bruder Johann wurde Kurfürst. Am 19. Oktober 1525 sagte der neue Kurfürst zu, sich der Angelegenheit anzunehmen. Er bewilligte am 24. Dezember 1525 500 Gulden, am 19. Juni 1526 200 Gulden, dann mit der vorliegenden Urkunde vom 7. April 1528 nochmals 500 Gulden und am 2. Februar 1532 weitere 300 Gulden (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 789, 791, 933, 934, 938). Kurfürst Johann Friedrich I. gestattete am 20. Januar 1533, nochmals 300 Gulden zum Ausbau des Schlosses zu verwenden (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 790). Die Kurfürsten mussten diese Beträge nicht bezahlen, sondern sagten lediglich zu, dass die von Rode eingesetzten Baumittel bei einer möglichen Auslösung des Pfandes der Pfandsumme hinzuzurechnen sind. Die Auslösung war aber noch 1533 nicht in Sicht, denn sonst hätte der Kurfürst diese Investition auch untersagen können – was er nicht tat. Jacob Rode gab innerhalb von acht Jahren 1.800 Gulden zum Ausbau des Schlosses Gommern aus.
1538 kündigte Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen die Verpfändung (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 892, 893). Das kam für die Stadt Magdeburg und Jacob Rode überraschend. Die Magdeburger forderten die Zahlung der Pfandsumme innerhalb eines halben Jahres – wohl in der Hoffnung, dass die kurfürstliche Kammer so viel Geld so schnell nicht aufbringen könne. Die Verhandlungen zur Auslösung führte Jacob Rode als Bürgermeister zusammen mit weiteren Ratsmitgliedern. Dabei forderte er eine Entschädigung für einen von ihm angelegten Weinberg und die bereits ausgebrachte Wintersaat. Nach drei Verhandlungsrunden einigten sich die Magdeburger und die kurfürstlichen Räte am 27. Mai 1539 auf die Summe der Rückzahlung und auf eine Umrechnung von Mark böhmischer Groschen in Gulden (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 795, 898, 903, 909, 910). Noch am gleichen Tag zahlte Landrentmeister Hans von Taubenheim der Stadt Magdeburg 7.000 Guldengroschen (vgl. Landesarchiv Thüringen, Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Urkunde Nr. 892). Davon erhielt Jacob Rode einen uns nicht bekannten Anteil – jedenfalls so viel, wie im Wiederkaufsvertrag vorgesehen war. Am 19. August 1539 einigten sich die kurfürstlichen Räte und Jacob Rode auf eine Entschädigung für den von ihm übernommenen Getreidevorrat und die vorhandenen Schafe, Schweine, Rinder und Pferde.
Von der Auslösung nicht betroffen waren die beiden Burglehen. Dabei handelte es sich um einen verlehnten Grundbesitz, der dem Amt Gommern unterstand. Das Burglehn auf dem Unterschloss in Gommern war 1422 vom Rat der Stadt Magdeburg gekauft worden (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 784). In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zur Teilung. Eine Hälfte gelangte an Jacob Rode, die andere an die Brüder Friedrich und Moritz Alemann, die diesen Anteil von Friedrich Brandt von Lindau kauften. Insofern blieb Jacob Rode auch nach Ende seiner Herrschaft Grundbesitzer in Gommern.
Bedeutung der Quelle
Die Urkunde erhellt, dass die Stadt Magdeburg im 15. und 16. Jahrhundert im Besitz eines bedeutenden Herrschaftskomplexes südlich von Magdeburg war. Es war der größte und bedeutendste Besitz, den der Rat jemals innehatte. Gommern, Ranies, Elbenau und Gottau gehörten ursprünglich den Edlen von Querfurt, die diese Burgen und Dörfer 1269 an den Magdeburger Erzbischof Konrad verkauften. Er veräußerte die Burggrafschaft Magdeburg sowie Gommern und Umgebung an Herzog Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg (um 1250-1298) aus dem Geschlecht der Askanier, die mit seinen Erwerbungen das Herzogtum Sachsen-Wittenberg begründete und als Kurfürst an der Königswahl 1292 teilnahm. Sein Nachfolger Kurfürst Albrecht III. von Sachsen-Wittenberg (um 1375/80-1422) war in Geldnöten und verpfändete Gommern, Elbenau, Ranies, Gottau und den Elbenauer Werder am 19. Dezember 1419 an die Stadt Magdeburg (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 787). Die Pfandsumme betrug 5000 Mark böhmischer Groschen. Albrecht III. hatte keine Kinder, so dass sein Herzogtum bei seinem Tod an den Kaiser als erledigtes Lehen zurückfiel. Kaiser Sigismund belehnte den wettinischen Markgrafen von Meißen, Friedrich den Streitbaren (1370-1428), mit dem Herzogtum Sachsen und der Kurwürde. Damit wurden die Wettiner auch Eigentümer von Gommern. Bei der Leipziger Teilung 1485 fiel Sachsen-Wittenberg und damit auch Gommern an die ernestinische Linie.
Die Verpfändung bedeutete, dass sämtliche Herrschaftsrechte an die Stadt Magdeburg als Pfandherrn übergegangen waren. Alle Einnahmen aus Gommern und Umgebung flossen der Stadt Magdeburg zu, die auch die Gerichtshoheit innehatte. Der Rat der Stadt Magdeburg wiederum verpachtete oder verkaufte Gommern an Bürger der Stadt Magdeburg, vor allem an Mitglieder des Rats. Diese waren dann selbst Herrschaftsinhaber – und durften auch in der Burg Gommern residieren. Allerdings konnte das Pfand jederzeit eingelöst werden – mit einer Ankündigungsfrist von einem halben Jahr. Dies tat Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen (1503-1554) am 4. November 1538 – zur Überraschung des Magdeburger Rats, der damit gerechnet hatte, Gommern langfristig behalten zu können. Die Auslösung erforderte lange Verhandlungen, weil neben den Investitionen in die Gebäude, von der die Quelle berichtet, auch das angeschaffte Inventar ebenso wie Getreidevorräte und der vorhandene Tierbestand zu berücksichtigen waren. Während der Kurfürst daran interessiert war, möglichst nur die vereinbarte Pfandsumme zu zahlen, wollten die Magdeburger alle Auslagen ersetzt haben, mit denen ihrer Ansicht nach der Wert gesteigert worden war.
Aus den eingelösten Besitzungen und Herrschaftsrechten wurde 1539 das kursächsische Amt Gommern gebildet, das als Exklave zum Kurkreis gehörte. Nach der Schlacht bei Mühlberg 1547 fielen der Kurkreis und damit auch Gommern an Moritz von Sachsen aus der albertinischen Linie der Wettiner. Das Amt Gommern blieb rund 250 Jahre Teil des albertinischen Kurfürstentums Sachsen. 1807 musste König Friedrich August I. von Sachsen es an das neugebildete Königreich Westphalen abtreten. Als dieses unterging, fiel Gommern an das Königreich Preußen. Das frühere Amt Gommern wurde ebenso wie das Fürstentum Magdeburg in die preußische Provinz Sachsen integriert.
Weiterführende Literatur:
Emil Meyer: Chronik der Stadt Gommern und Umgegend, Gommern 1897, S. 16.
Karlheinz Blaschke/Uwe Ulrich Jäschke: Kursächsischer Ämteratlas 1790, Chemnitz 2009, S. 14 f.
Transkription
Von Gots gnadenn wir Johanns, hertzog zu Sachsenn, des Heyligen Römischen Reich ertzmarschalh unnd churfürst, landtgraf inn Dhoringen und marggraff zu Meyssenn. Nachdem wir des vergangen jares auf underthenig bitten unsers lieben getreuen Jacob Rode zu Magdeburg, welcher das hauß Gommern, so von uns und unnserm churfürstenthumb zu Sachssenn unnter anderm des orts zu lehenn gehet, dieser tzeit vonn den von Magdeburgk innehat, gewilliget, fünffhundert gulden zu verpawen, welchs zu den vorigen pfandtschilling inn aplegung desselben solte geschlagenn werden, lauts unnser darüber gethaner schrifftlicher bewilligung. Weyl aber gedachter Rode antzeigen thut, als solt er denn fürgenohmen baw mit bestimpten fünffhundert gulden nit wol volenden mögen, mit undertheniger bitt, ime noch darüber zugestatten, vierhundert gulden zu verpawenn, als bekennen wir für unns und unnser erben, das wir auf ehegemelts Jacob Rode bitt gewilliget unnd zugelassen, als wir auch hiemit willigen unnd zulassenn, das er noch uber die vorigen fünffhundert vierhundert gulden an berürter burgk Gommern verpawen magk, das sich also allenthalbenn uff neunhundert gulden zusammen erstrecken thut. Die sollenn durch unns ader unnser erbenn inn tzeit, so die aploßung bey den von Magdeburgk beschiet, neben der andern heubtsuma der verpfanndung apgelegt unnd denn von Magdeburgk zugestellet werdenn, alles treulich unnd ungeferlich. Zu urkundt mit unnserm hirangehangenem insiegell wissentlich besiegelt unnd geben zu Torgau am Freytag in der Oster wochenn nach Christi unnsers lieben herren gepurt tausent fünffhundert unnd im achtunndzwentzigstenn jarenn.
Rückvermerk:
1528 [von anderer Hand später ergänzt: April 17]
Jacob Rode wirdt vergunnt uber die nötig[en] 900 fl. noch 9a) 300 fl zu erbaw[en]
a) Zahl 9 in schwächerer Schrift, wohl gelöscht