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Magdeburger Spuren, Nr. 569

Der Rat der Stadt Magdeburg antwortet Kurfürst Joachim I. von Brandenburg auf dessen Anschuldigungen wegen Nikolaus von Minckwitz, stellt nun seinerseits Forderungen zur Lösung des Falls von Hans Bohmgarten, genannt Kogk, und hofft auf Beilegung des Konflikts durch gegenseitige Kooperation. Magdeburg, 26. August 1528.

Die Quelle

Das unter der Signatur „GStA PK, I. HA Rep. 52 Nr. 45“ im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem aufbewahrte Dokument ist Teil einer Akte mit dem Titel „Zoll- und andere Streitigkeiten zwischen Kurbrandenburg und der Stadt Magdeburg“. Das ungebundene Konvolut überliefert Material zu verschiedenen Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Magdeburg und den Kurfürsten von Brandenburg aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

In dieser Akte befindet sich u. a. ein Schriftwechsel zwischen der Stadt und Kurfürst Joachim I. von Brandenburg in dem es um den Aufenthalt des Nikolaus von Minckwitz in Magdeburg geht.  

Die Texte sind mit Tinte auf Pergament niedergeschrieben und in mittelniederdeutscher Sprache verfasst.

Der Hintergrund

Das vormals gute Verhältnis zwischen Magdeburg und Kurbrandenburg hatte im Zuge der Einführung der Reformation in Magdeburg erheblich gelitten. Besonders als Kurfürst Joachim I. von Brandenburg der Bündnispflicht gegenüber seinem Bruder Kardinal Albrecht, Erzbischof von Magdeburg und Kurfürst von Mainz, folgend im August 1524 einen Vertrag zum Schutz der in den Marken verkehrenden Magdeburger Kaufleute aufgekündigt hatte, entwickelten sich zahlreiche Konflikte. Ein Beispiel dafür ist die Auseinandersetzung zwischen dem Rat der Altstadt Magdeburg und Kurfürst Joachim I. von Brandenburg aus den Jahren 1526/28 um eine Ochsenherde, die vom Spandauer Haupt- und Amtmann beschlagnahmt worden war (Vgl. Magdeburger Spuren Nr. 560-566).

Zur gleichen Zeit beherbergte Magdeburg im Sommer 1528 den Ritter Nikolaus von Minckwitz, nach dem der Kurfürst von Brandenburg fahndete. Minckwitz, ein streitbarer Adliger aus der Niederlausitz, hatte zuvor aus eher nichtigem Anlass dem Bischof von Lebus die Fehde erklärt und sogar die bischöfliche Residenzstadt Fürstenwalde belagert und eingenommen. Das Vorgehen erinnert an die „Pfaffenkriege“ des Franz von Sickingen, die 1519/23 das Reich erschüttert hatten. Der Bischof von Lebus floh nach Grimnitz an den Hof seines Schutzherrn, des brandenburgischen Kurfürsten. Dieser ließ gegen Nikolaus von Minckwitz die Reichsacht verhängen und stellte ein Heer auf. Zu einer direkten Auseinandersetzung kam es jedoch nicht. Am 31. Juli 1528 wandte sich Kurfürst Joachim an den Rat der Stadt Magdeburg (Magdeburger Spuren Nr. 567), weil ihm zugetragen worden war, dass sich Nikolaus von Minckwitz in Magdeburg aufhalte. Tatsächlich war dieser nach Magdeburg gekommen und hatte wohl im Pfarrhaus der Ulrichsgemeinde Quartier erhalten.

Der Kurfürst warf Minckwitz Landfriedensbruch und Kirchenraub vor.

Nikolaus (Nickel) von Minckwitz (1485-1549)

Nikolaus von Minckwitz stammte aus einem Niederadelsgeschlecht der Lausitz und besaß die Herrschaft Sonnewalde. Sein Vater Johannes (II.) hatte u. a. als Hofmeister des Erzbischofs von Magdeburg und als Obermarschall Herzog Albrechts von Sachsen zum engeren Kreis der wettinischen Gefolgschaft gehört. Nikolaus begann im Jahr 1503 ein Jurastudium, das er an verschiedenen europäischen Universitäten fortsetzte. Er diente den Kurfürsten von Sachsen als Hofmarschall und als Amtmann in Weida. Als entschiedener Befürworter der Reformation setzte er auf seinen Gütern evangelische Pastoren ein und erließ eine lutherische Kirchenordnung, sehr zum Missfallen seines Lehnsherrn, des albertinischen Herzogs Georg von Sachsen. Überregionale Aufmerksamkeit fand seine Fehde gegen den Bischof von Lebus, die in der hier präsentierten Quelle dokumentiert wird. Später unterwarf sich Minckwitz und versöhnte sich wieder mit dem Kurfürsten von Brandenburg.

Die Antwort des Rats

Rat und Innungsmeister der Altstadt Magdeburg antworten dem Kurfürsten am 26. August 1528. Sie stellen klar, dass Magdeburg keine Operationsbasis für Minckwitz sei und diesem nicht erlaubt werde, Söldner gegen den Kurfürsten in der Stadt zu werben. Zugleich nutzen Sie die Gelegenheit, um ihre eigenen Konflikte mit Brandenburg zur Sprache zu bringen. Der Fall der beschlagnahmten Ochsen des Hans Bohmgarten, genannt Kogk (vgl. Magdeburger Spuren, Nr. 566) stelle die gute Nachbarschaft zwischen Magdeburg und der Mark Brandenburg in Frage. Trotz des Missfallens über diese Ereignisse gibt der Rat Auskunft über den Aufenthaltsort von Minckwitz, von dessen Ankunft in der Stadt man nichts gewusst habe, der sich nun aber als Gast in einer Herberge befinde.

Abschließend weist der Rat erneut darauf hin, dass viele Bürger Schaden genommen hätten, weil sie in der Mark nicht mehr den ausdrücklichen Schutz des Kurfürsten genießen, und bitten nochmals um Klärung im Fall Hans Bohmgartens.

Bedeutung der Quelle

Magdeburg war die erste Großstadt, die den Lehren Luthers folgte. Sie geriet dadurch in Spannungen mit ihrem Stadtherrn Kardinal Albrecht und mit ihren altgläubigen Nachbarn wie Kurbrandenburg oder dem Herzogtum Sachsen. Die Quelle zeigt, dass Magdeburg schon in den 1520er Jahren ein Zufluchtsort für Anhänger Martin Luthers war. Die Vermischung von Religion und Politik, wie den Fall Minckwitz auszeichnet, war dabei die Regel. Zwar wurde ihm vor allem Landfriedenbruch vorgeworfen, aber sein Bekenntnis zur neuen Lehre und sein aggressives Vorgehen gegen einen Bischof als Vertreter der alten Kirche verschärften den Unmut des Kurfürsten.

Die selbstbewussten Bürger Magdeburgs stellten die Macht des Hochadels und kirchlicher Autoritäten ebenso in Frage wie ihr ungebetener Gast, suchten aber – vor allem aus wirtschaftlichen Gründen – nach einvernehmlichen Lösungen. Daher hatten die Magdeburger weder ein Interesse daran, Minckwitz auszuliefern, noch waren sie bereit, sein Vorgehen, das sich auf adliges Fehderecht berief, zu unterstützen.

Weiterführende Literatur:

Zur Sprache:

Köbler, Gerhard: Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Gießen, 2014. Online verfügbar unter: https://www.koeblergerhard.de/mndwbhin.html [zuletzt geprüft am 19.11.2019].

 

Zum Sachverhalt:

Geschichte der Stadt Magdeburg in 2 Bänden. Neu bearbeitet von G. Hertel u. F. Hülße, Magdeburg 1885, Bd. 1, S. 367 ff.

Escher, Felix: Das Kurfürstentum Brandenburg im Zeitalter des Konfessionalismus. In: Materna, Ingo; Ribbe, Wolfgang: Brandenburgische Geschichte. Berlin, 1995, S. 261-263.

Joachim I. Nestor (geb. 1484, gest. 1535), 1499-1535 Kurfürst von Brandenburg (Schultze, Johannes: Joachim I. In: Neue Deutsche Biographie 10, 1974, S. 434-436).

Nicolaus von Minckwitz (gest. 1549), niederlausitzscher Ritter und Förderer der Reformation (Falke, Johannes: Nickel von Minckwitz. In: Weber, Karl von: Archiv für die sächsische Geschichte, Bd. 10. Tauchnitz, 1872, S. 282).

Transkription

[Vorderseite]

Unsen willigen dinst thovorn durchluchtigste hochgeborner churfurst gnedigste herre. Iwer churfurstlichenn gnaden schrifte, Nickoll von Mickwitzs halven, de alhir in unser stadt ethlike ruther und knechte, villichte iwe churf[ürstlichen] g[naden] furder thobeschedigen, vo[rs]ammeln scholde und szo wy als nahe besethen nachtbarn, den je von iwen churf[ürstlichen] g[naden] ock dersulvigen milder gedechte[nu]s vorfahren marggraven tho Brandeberch vele gnade unnd gudes in der Margke bejegenth. Derhalven sodanem [an]dragende nicht gantz gelovich, dath der mathen also krigesfolgk alhir scholde vorsammelth, noch veleweiniger dath de uthtoch, uth unser stadt scholde vorgenohmen werden. Dennoch mith ansynnen und begehr, wes bestand in dem sy iwe churf[ürstlichen] g[naden] thovorstendigen etc. hebben wy furder und alles inholdes vornohmen, fugen derwegen iwen churf[ürstlichen] g[naden] guder wolmeynungh wethen, dath uns unnd vornehmelick unsen oldestenn rades vorwanthenn woll withlick, dath uns by iwen churf[ürstlichen] g[naden] und dersulvigen milder gedechtenus vorfahrenn, vele gnade und gude[?]es ordes bejegenth. Des wy uns billick thobedangken hebbenn uns ock nach antzeigungh dersulvigen under oldesten berichtungh und in erkundungh gelofwerdigen schriften, wedderumme ock jegen dath lovelike churfustelike huse tho Brandeborch ertzeiget unnd geholden, dath wy unses bedungkens nicht unnutte nachtbar gewest und villichte noch syn konden, welker gestalt aver by unsen jaren unnd frisscher gedechtenus uns und den unsenn im churfurstindohm der Margke beschwerungh nachdeill und thom deile unvorwinthliker schade o[ck] gantz unvorschuldet bejegenth und wy tho grother fahre mith unsen gemeyne burgern gesaht syn. In dem iwe churf[ürstlichen] g[naden] tho mehrmahln gnugksam verstendiget unnd itzt ane noth anthozeigenn etc konnen ock iwen churf[ürstlichen] g[naden] nicht bergenn, dath in korthvorgangen dagen eyn unse burger, dem de ochssen mede upgeholden, sick u[th] unser stadt gewanth, dath burgerrecht vorlathen unnd sust noch eyner Hans Bohmgarden anders Kogk genannt, d[er] ock tho gantzem vorderve der ochssenn halven gekomen, itzt eyn uththreth jegen uns genohmen. Mith finthliker enthseggungh heftich drawet mith synen hulpers hulpern uns alles ovell antholeggenn unnd wu woll he durch ethlike sine frunthschop am nehsten sonnavende in gegevenem geleide tho vorhoer gebracht, komen uns itzt wedderschrifte tho darinne he de ochssen von uns bethalet, fordert, wu nicht will he in sulker finthschop der meynungh uns mergklick thobeschedigenn, vorharren und forderth sodanes enthlike anthworth. Derwegen wy woll, gnugksam georsaket ichts und der gestalth, wu iwen churf[ürstlichen] g[naden] vorgebracht vorthonehmen darmede wy uns eynes grottern schadens des inwendigen kriges enthlichten mochten vorthonehmme. Aver gnedigste churfurste unnd herre, wy mogen dath geloflick woll schriven, welks sick im grunde der warheidt also unnd nicht anders holdet, dath wy von Nickoll von Minckwitzs ankunft alhir in unser stadt nichts gewust ock wes synn beschaffen gewest, dar tho itzt nicht furder wethenn dragenn, dan dath he alhir in eyner apinbaren gemeynen herberge als eyn wanderinde man gasts wyse gelegen. Syn ock beth anher der meynungh nicht gewest, uns mith ohne sulker gestalth thobewethenn wolden ock iwe churf[ürstlichen] g[naden], wu billick vorschaffenn, dath unsen armen burger, ohre ochssenn geguldenn und ander arme lude schade, de ohne nach upschrivungh, des vorsegeldenn schuts im churfurstindohm der Margke, durch namhaftige bekanthe inwohner, darsulves bejegenth gelegerth wehr. Uns szo vele lichter unse gemeyne burger, de wy mith schwarer muhe, hochem flite unnd grother sorchfeldicheit wenthe hertho mith Goddes almechtigen hulpe gestillet, furder fredesam tho holden. Biddenn derwegen disser unser voranthwordungh wedderumme ock iwer churf[ürstlichen] g[naden] gnedige thovorlatige anthworde, dar nach wy uns in sodaner, vorengeden befahrungh, der wy uns mehr und mehr wy angetzeigt der beschedigedenn burger unnd upgeholdenn ochssenn halven, thobesorgenn unnd enthlick unser notorft nach tho richtenn hebbenn, iwen churf[ürstlichen] g[naden] angenehme unnd willige dinste tholeistenn, dehn wy mith ungespartem flite gerne.

Dat[um] under unser stadt secreth middewekens nach Bartholomei apostoli, anno etc XXVIII.

Rathmann und inningsmeistere der aldenstadt Magdeborch

 

[Rückseite]

Dem durchluchigstenn hochgebornen furstenn unnd hern hern Joachim marggraven tho Brandeborch des Hilligenn Romisse´chen Ryks ertzcammerern und churfurstenn, tho Stettin, Pomern, der Cassuben und Wenden herthogenn, burggraven tho Nurnberch und furstenn tho Rugen unsem gnedigsten hern

Zitiervorschlag

Katharina Ebel, Kay Harms, Lea Hartick, Annabell Haseloff, Anna Lüders, Arabella Oberle, Janny Oestreich, Jessica Puterczyk, Armin Riazi, Angie Wedereit, Annika Zimmermann, Ein schwieriger Gast. Der evangelische „Raubritter“ Nikolaus von Minckwitz sucht Schutz in Magdeburg, https://www.magdeburger-spuren.de/de/detailansicht.html?sig=569 (25.04.2024)

Erschließungsinformationen

Signatur
569
Datierung
26.08.1528
Systematik 1
02.01.04 Fürsten
Systematik 2
Wirtschaftsbeziehungen
Fundort
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (Dahlem)
Signatur Fundort
Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, I. HA Rep. 52 Nr. 45, unfol.
Aktentitel
Zoll- und andere Streitigkeiten zwischen Kurbrandenburg und der Stadt Magdeburg
Beschreibung
Ausfertigung, unfoliiert, lose, Tinte auf Pergament, Verschlusssiegel auf der Rückseite, Kanzleivermerk
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